Dienstag, 2. Juni 2009

Deutschland: Steigende Staatsquote – Sturm im Wasserglas?

Die Staatsquote lag in Deutschland im vergangenen Jahr bei 43,9 Prozent. Das ist ein Wert unter dem Durchschnitt der Länder des Euroraums. Der Anteil der deutschen Staatsausgaben an der Wirtschaftsleistung belief sich im Jahr 1999 auf 48,1%. Nachdem die aggregierte Nachfrage im Zuge der Finanzkrise weltweit zum Erliegen gekommen ist, haben die Staaten die Ausgaben erhöht. Das betrifft auch Deutschland. Normalerweise werden Depressionen durch die Geldpolitik bekämpft. Die Geldpolitik der EZB hängt aber am dogmatischen Monetarismus und ist daher gerade nicht effektiv. Unternehmen investieren nicht, da ihre Risikotoleranz in der depressiven Wirtschaft deutlich abgenommen hat. Private Haushalte stellen in Angst vor einer Deflationsspirale ihre Ausgaben zurück. Die Banken sind mit ihrer eigenen Sanierung beschäftigt und vergeben daher kaum Kredite.


Der tatsächliche Output liegt heute deutlich tiefer als der potenzielle Output. Ein grosser Teil der Produktivitätskapazität bleibt also ungenutzt. Soll der Staat weiter zusehen, wie die Arbeitslosigkeit steigt und die Produktion einbricht? Die Regierungen leihen sich jetzt Geld aus, um die Nachfragelücke zu schliessen. Die Gefahr einer raschen Schuldenzunahme ist zwar gegeben. Der Preis der Untätigkeit würde aber erheblich höher ausfallen.

In den vergangenen Jahrzehnten war die deutsche Wirtschaft durch einen Prozess der Entstaatlichung geprägt. Ziele waren angebotsseitig ausgerichtet. Die Finanzpolitik war daran orientiert, Haushalt zu sanieren und Steuern für Unternehmen zu senken. Es wurden stets neue Exportrekorde gebrochen. Aber der Titel „Exportweltmeister“ ist teuer erkauft worden. Durch Lohnzurückhaltung und Sozialabbau, d.h. zu Lasten der Konsumnachfrage. Der Einbruch des Welthandels hat jetzt vor Augen geführt, wie einseitig die deutsche Wirtschaftspolitik orientiert ist. Während die deutschen Ausfuhren in den vergangenen zehn Jahren preisbereinigt um 70% gestiegen sind, ist die Binnennachfrage kaum vom Fleck gekommen. In keinem anderen Land Europas sind die Nominallöhne während dieser Zeitperiode so wenig gestiegen wie in Deutschland, wie Peter Bofinger in seinem neuen Buch akkurat schildert. Im Jahr 2008 lagen die Reallöhne brutto wie netto rund 2% unter dem Niveau des Jahres 2000. In einer Wirtschaft, in der die Banken ein Renditeziel von 25% anstreben, darf der Staat wohl seine Schulden in der schwersten Krise seit der "Grossen Depression" von 1929/30 vorübergehend etwas erhöhen. Das Augenmerk sollte sich eigentlich auf ein neues Wachstumsmodell, welches auf die Binnennachfrage setzt, richten. Wachstum erzeugt nämlich Einkommen, woraus Schulden getilgt werden können.

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