Mittwoch, 24. März 2010

Hyperinflation: Steckt der Teufel im Detail?

Die Inflationsdebatte in den USA kocht weiter. „Süsswasser“-Ökonomen versus „Salzwasser“-Ökonomen. Wie kann man aber mitten im Nachfrageschock vor Inflation warnen, zumal die Weltwirtschaft sich in einer Liquiditätsfalle befindet? Mike Kinsley ist dennoch entsetzt über die drohende Inflationsgefahr für die Zukunft. „Hyperinflation ist, wenn die Inflation sich selbst nährt und ausser Kontrolle gerät“, schreibt er in einem Artikel in The Atlantic. „Man kann mit 2 oder 3% eine stabile Inflation haben. Aber man kann keine stabile Inflation über 10% haben“, argumentiert Kinsley. „Wenn jeder von 10% Inflation ausgeht, dann schieben alle Kräfte, die 10% produzieren, die Inflation auf 20% hoch. Und dann auf 40%. Dann schleppen die Leute das Geld in Schubkarren, wie die Bilder von Weimar Deutschland zeigen“, erklärt er weiter. Paul Krugman ist damit nicht einverstanden. Er wendet ein, dass es zumindest nach Lehrbuch-Ökonomie eine wirkliche Unterscheidung zwischen der Art von Inflation, die 1970er Jahren vorherrschte und der (Simbabwe-) Art Hyperinflation aus dem Jahr 1923 gibt. Krugman beschreibt, was Hyperinflation von Stagflation unterscheidet.


Produktionslücke, Graph: Fed St. Louis

Hyperinflation sei eigentlich ein recht gut verstandenes Phänomen und ihre Ursachen seien unter Ökonomen nicht besonders umstritten. Im Grunde genommen hat sie mit Einnahmen zu tun, argumentiert Krugman. „Wenn die Regierung weder Steuern eintreiben noch Geld leihen kann, um ihre Ausgaben zu tätigen, wirft sie manchmal die Druckmaschine an und versucht auf diese Weise, grosse Mengen aus Seignorage (Geldschöpfung) einzunehmen. Das führt zu Inflation, welche die Menschen veranlasst, Bargeldbestände zu reduzieren. Das heisst, dass die Druckmaschine schneller laufen müsste, um denselben Betrag an Ressourcen zu kaufen. Und so weiter“. „Die Art von Inflation, die wir in den 1970er Jahren in der berühmten Ära der Stagflation (hohe Inflation + hohe Arbeitslosigkeit) erlebt haben, war ganz anders“, erklärt Krugman. Das Defizit sei nicht das Problem gewesen. Das Defizit war in den inflationären 1970er Jahren viel kleiner als in den disinflationären 1980er Jahren, hält Krugman fest.

Stattdessen hatte man mit einer Kombination von extrem expansiver Geldpolitik zu tun, die von einer unrealistischen Vorstellung ausging, wie niedrig die Arbeitslosenquote gedrückt werden könnte, ohne dass sich die Inflation beschleunigt (NAIRU: non-accelerating inflation rate of unemployment, d.h. Arbeitslosigkeit, bei der sich die Inflation nicht beschleunigt: emphasis mine). Dazu kam noch der Ölschock, der die Inflation höher trieb, wegen der „cost of living“-Klauseln in den Verträgen, betont Krugman. Es gab nie die Gefahr einer Hyperinflation, ist Krugman überzeugt. „Die einzige Frage war, ob und wann wir bereit waren, den hohen Preis für die Arbeitslosigkeit zu zahlen, um Inflation nach unten zu drücken“, erläutert Krugman. Kinsey scheint die Logik das NAIRU-Argument (inflationsstabile Arbeitslosenquote) : emphasis mine ) zu verwechseln, schreibt Krugman weiter. Es besagt, dass die Inflationserwartungen sich in die Preisfestsetzung einbauen, sodass man eine sich beschleunigende Inflation braucht, um die Arbeitslosigkeit unter NAIRU zu halten. Ryan Avent, der in den
vergangenen Wochen
Krugman wegen dessen Kritik an China’s Wechselkurspolitik scharf die Leviten gelesen hatte, unterstützt den Standpunkt von Kinsley und behauptet, dass die Hyperinflation kein ökonomisches, sondern ein politisches Phänomen sei.


Umlaufsgeschwindigkeit des Geldes, Graph: Fed St. Louis

Wenn man ausufernde Inflation befürchtet, soll man laut Brad DeLong folgendermassen vorgehen: short: 20 jährige US-Staatsanleihen (4,43%), long: 20 jährige TIPS (inflationsgeschützte US-Staatsanleihen) (2,11%). Jedes Jahr, wenn die Inflation über 2,32% liegt, würde Kinsley Geld verdienen, bemerkt DeLong. Das ist sicherlich ein interessanter Hinweis. Denn, wenn die Marktteilnehmer davon ausgehen, dass der Staat seine Schulden weginflationieren will, dann würden sie vom Staat mehr Zinsen fordern. Der Zinssatz würde also im Zusammenhang mit den Inflationserwartungen zulegen. Die Zinsen verharren aber nach wie vor auf niedrigen Niveaus. Bei der Auktion 2-jähriger Noten im Volumen von 44 Mrd. $ war die Nachfrage gestern etwas geringer als erwartet. Aber es gelingt dem US-Schatzamt, sich immer noch günstig Kapital zu beschaffen. Heute findet ausserdem die Versteigerung von 5 jährigen Notes im Volumen von 42 Mrd. US-Dollar statt. Auf diese Weise schafft das Finanzministerium dank der mengenmässigen Lockerung („quantitative easing“), die Kosten der Staatsausgaben zu senken.

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