Freitag, 21. Mai 2010

Irisches Wunder entpuppt sich als Fata Morgana

Mit der Ankündigung der EZB, in einer Woche für rund 20 Mrd. $ Staatsanleihen in der Euro-Zone gekauft zu haben, wird die neue Strategie klar: Die Risiken werden von den Bankbilanzen weggenommen und auf die EZB übertragen, schreiben Simon Johnson und Peter Boone in einem lesenswerten Essay („Irish Miracle – or Mirage?“) in NYT. Es wird erwartet, dass Portugal, Irland, Italien, Griechenland und Spanien ihre Staatsausgaben scharf kürzen und durch Sparmassnahmen sich selbst aus dem Schlamassel ziehen, bemerken die beiden Ökonomen. Aber Jean-Claude Trichet, der EZB-Chef steht vor einem möglichen wichtigen Problem: Die den verschwenderischen Ländern zugewiesene Aufgabe könnte sich unmöglich erweisen, erklären Johnson und Boone. „Einige dieser Länder stecken möglicherweise bereits in einer Verschuldungsspirale, was einen grösseren Rückgang der Wirtschaft wahrscheinlicher macht“, betonen die Autoren. Die Probleme erinnern auffallend an Lateinamerika in den 1980er Jahren.

Jene Nationan waren in den 1970er Jahren zu stark verschuldet. Im Übrigen durch die grossen internationalen Banken, fügen Johnson (ehem. Chefökonom des IWF) und Boone (London School of Economics) hinzu. Dann haben sie angesichts der sich verschärfenden makroökonomischen Bedingungen in den USA den Zugang zu den Kapitalmärkten verloren. Zehn Jahre lang steckten sie in übermässigen Schulden („debt overhang“), genau so wie die finanzschwachen Länder der Euro-Zone, die es praktisch unmöglich machen, zu wachsen, halten die Autoren fest. Der Schuldenüberhang belastet das Wachstum aus vielen Gründen: Unternehmen werden nervös, dass Steuern in naher Zukunft erhöht werden. Die Kreditkosten sind hoch. Soziale Unruhen drohen, weil weiterhin strengere Massnahmen erforderlich sind, um die Schulden zu reduzieren, heben Johnson und Boone hervor.

Irland war eine der ersten Nationen, die harte Sparmassnahmen eingeführt hat. Trotz Kürzungen der Staatsausgaben und Steuererhöhungen schätzt die Europäische Kommission, dass Irlands Haushaltsdefizit mit 11,7% des BIP in diesem Jahr das höchste der ganzen Welt sein wird. „Das Problem ist klar: Wenn Sie die Ausgaben kürzen, fehlen Steuereinnahmen von Personen, die bisher von diesen Ausgaben Geld verdient haben“, bemerken die Autoren. Zudem suchen neue Arbeitslose soziale Unterstützung. Die Ausgabenkürzungen in einer Kategorie werden durch mehr Ausgaben in einer anderen Kategorie teilweise ausgeglichen, erklären Johnson und Boone. Ohne Wachstum. Und das Haushaltsdefizit hält an. „Irlands Probleme sind leider viel tiefer, als das Bedürfnis nach einfachen Sparmassnahmen“, so die beiden Ökonomen. Die irische Regierung hat die Körperschaftssteuer auf 12,5% des Gewinns festgelegt. Das hat alle Art von Unternehmen wie Google, Yahoo und Forest Labs nach Irland gezogen. Die Unternehmen haben ihre Hauptquartiere dort eingerichtet und die Gewinne aus den Händen der amerikanischen Steuerbehörde (IRS) fern gehalten. „Der bemerkenswerte Erfolg dieses Steuerparadieses bedeutet, dass etwa 20% des irischen BIP tatsächlich aus „profit transfers“ besteht, was wenig Steuereinnahmen für Irland hergibt und Irland von ausländischen Gesellschaften geschuldet wird, erläutern Johnson und Boone. Diese sollten aber nicht als Teil Irlands Steuerbasis gezählt werden. Das BSP schliesst die Gewinne der ausländischen Einwohner aus. Für die meisten Nationen sind BIP und BSP nahezu identisch. Für Irland aber nicht. Werden die Zahlen angepasst, ist die Lage desolat, argumentieren die Autoren. Das Haushaltsdefizit betrug 2009 über 17,9% des BSP. Basierend auf Schätzungen der Europäischen Kommission wird es sich 2010 auf rund 14,6% und 2011 auf 15,1% belaufen, während das Verhältnis der Schulden zum BSP am Ende dieses Jahres voraussichtlich 97% und 2011 109% betragen wird. Diese Zahlen lassen Irland ähnlich wie Griechenland erscheinen, mit einem viel höheren Haushaltsdefizit, aber geringeren Staatsverschuldung, legen die Autoren weiter dar. Irlands Politiker machen es aber schlimmer. Die Regierung hat die Bankschulden auf die nationale Bilanz aufgeladen. Die ohnehin hohen Staatsschulden sind dadurch noch mehr gestiegen. Es gibt kein einfaches Entkommen. Die Regierung sollte (1) die existierenden Banken abwickeln und in eine neu „bad bank“ bringen. Die Einlagen und die gewinnträchtigen Geschäfte der Banken sollen in einer neuen, gut kapitalisierten Bank zusammengebracht werden, sodass die Steuerzahler nicht weiter belastet werden, (2) Die Iren müssen die harten finanzpolitischen Schritte unternehmen, die u.U. erforderlich sind und (3) Die Iren müssen sich ernsthaft überlegen, ob das Verbleiben in der Euro-Zone die Kosten Wert sind, raten Johnson und Boone an.

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