Montag, 31. Mai 2010

Warum die EZB immer noch Inflation bekämpft

Wenn die EZB einen monäteren Drachen zum Erlegen hat, dann ist er Inflation, schreibt NYT in einem lesenswerten Artikel. Die EZB betrachtet es als ihre primäre Aufgabe, Inflation unter Kontrolle zu halten. Selbst während der Bekämpfung der Schuldenkrise in der Euro-Zone bleibt die Inflation für die EZB im Vordergrund. Das führt mittlerweile zu einer treibenden Besessenheit, die die EZB davon abhält, eine potenziell grössere Bedrohung für Europa zu übersehen: Deflation. Die Zweifler der EZB werden immer lauter, berichtet New York Times, v.a. nachdem die Zentralbank infolge der Ankündigung ihrer Massnahme zum Kauf von Staatsanleihen in der Euro-Zone eine grosse Show gezogen hat, dass die Auswirkungen der ausserordentlichen Aktion sofort sterilisiert werde. „Es ist dumm. Wie kann die EZB über inflationäre Auswirkungen besorgt sein?, sagt Carl B. Weinberger, Chefökonom von High Frequency Economics. „Wäre ich die EZB, würde ich durch Gelddrucken versuchen, den Rückgang des Geldangebots abzuwenden“, fügt er hinzu.

Viele Ökonomen betrachten Deflation als noch gefährlicher als die Inflation, weil die Deflation die Verbraucher zwingt, sich mit Ausgaben zurückzuhalten, weil im allgemeinen erwartet wird, dass die Preise noch tiefer sinken. Dadurch entsteht eine Abwärtsspirale, die von einer abnehmenden Nachfrage und der Produktion beschleunigt wird. Deflation ist auch für Schuldner wie Griechenland schlecht, weil sie möglicherweise Geld zurückzahlen werden, das jetzt mehr Wert ist als es bei der Kreditaufnahme war. In Europa zeichnet sich die Deflationsgefahr bereits ab. Die Preise sind in Irland im April gesunken, während die Inflation in fünf anderen Ländern der Euro-Zone unter 1,0% verläuft. „Wir teilen gemeinsame Risiken und Probleme wie Japan um ca. 1995“, erklärte Adam Posen, Mitglied des geldpolitischen Ausschusses der Bank of England (BoE) kürzlich an der London School of Economics. Der Abwärtsdruck der Preise hat seine Wurzeln im Abschwung, welcher der Finanzkrise 2008 folgte. Doch die europäische Schuldenkrise stellt nun eine zusätzliche Last dar. Deutschland und Spanien beginnen, Staatsausgaben scharf zurückzufahren, um das Defizit zu kürzen. Das wird jedoch unweigerlich die Nachfrage und die Beschäftigung belasten, berichtet die Zeitung weiter, sodass das Wirtschaftswachstum geringer ausfallen wird. Die Kerninflation ist in der Euro-Zone im April auf 0,7% von 0,8% im März gesunken. Die Inflation befindet sich im allgemeinen immer noch deutlich unter der von der EZB angestrebten Zielvorgabe von rund 2,0%. Die eigentliche Herausforderung für die Politik wird sich laut NYT in den kommenden Monaten zeigen, wenn Griechenland, Portugal und Spanien Mühe haben werden, ihre Wettbewerbsfähigkeit auf den internationalen Märkten wiederzugewinnen. Da sie nicht über eine eigene Währung verfügen, die sie hätten abwerten lassen können, haben sie jetzt nichts anderes übrig, als die Löhne zu senken und sie dann deutlich unter denen von z.B. Deutschland und Frankreich zu halten. Lohnkürzungen und geringere Staatsausgaben werden aber den Abwärtsdruck auf die Preise weiter verstärken. Spanien’s Kerninflation ist bereits im April ins Negative gedreht. Die EZB wird es schwer haben, eine Geldpolitik zu erarbeiten, die sowohl finanzschwachen als auch schneller wachsenden EU-Mitgliedsländern passt, argumentiert NYT. Der Wertverlust der europäischen Staatsanleihen wird Banken und Finanzinstituten grossen Schaden zufügen, sagte Lorenzo Bini Smaghi am Wochenende in Rabat (Marokko) in einer Rede. Das werde möglicherweise die Erholung der Wirtschaft untergraben, fügte Mitglied des EZB-Vorstands hinzu. Jean-Claude Trichet steht besonders in Deutschland unter Kritik, weil die Zentralbank mit dem Kauf von Staatsanleihen begonnen hat, um die Schuldenkrise in Griechenland abzufedern. Die Quantität des Ankaufs von Staatsanleihen ist aber nicht so beschaffen, dass daraus eine Inflationsgefahr ausgehen würde, ist NYT überzeugt. Die Geldmenge ist in der Euro-Zone wegen des abnehmenden Kreditgeschäfts rückläufig. Und die Kapazitäten sind unterausgelastet. Die Arbeitslosigkeit beläuft sich auf 10%. Trichet’s Anti-Inflationshaltung scheint daher die Angst in Deutschland über den Kauf von Staatsanleihen zu beschwichtigen, erklärt die Zeitung.

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