Donnerstag, 3. Juni 2010

Washington und Arbeitslosigkeit

Warum kümmert sich Washington um die Arbeitslosigkeit nicht? „Im Jahr 1983 hatte Ronald Reagan’s Regierung die hohe Arbeitslosigkeit als einen nationalen Notstand betrachtet“, schreibt Brad DeLong in einem lesenswerten Essay in The Week. „Heute, wo die Arbeitslosigkeit auf 10% verläuft, scheint Barack Obama’s Washington davon ungerührt. Warum?“, wundert sich Wirtschaftsprofessor an der University of California at Berkeley. „Das letzte Mal hatten wir ein Überangebot an Arbeitskräften in dieser Grössenordnung im Jahr 1983“, bemerkt er. „Damals war die Überschussnachfrage nach hochwertigen Finanzanlagen von Paul Volcker und der Fed bewusst erzeugt. Um die Inflationserwartungen auszuwringen, wurde das Geldangebot reduziert“, erklärt DeLong. „Volcker hat es aber in der Tat übertrieben. Zu Beginn des Jahres 1983 wurden Gewerkschaften die zuvor versprochenen Lohnerhöhungen zurückgegeben und Lohnkürzungen für Arbeitgeber angeboten, die bereit waren, neue Stellen zu öffnen. Die Arbeitslosigkeit kletterte auf 10,5%. Der mexikanische Staat war bankrott. Und die Fed hat den Kurs gewechselt, weil sie einsah, dass ihre Geldpolitik über das Ziel hinausschoss“, legt DeLong dar.


Civilian Unemployment Rate, Graph: Fed St. Louis

„Washington war in Panik. Die hohe Arbeitslosigkeit wurde als einen echten nationalen Notstand wahrgenommen. Die Fed startete eine massiv lockere Geldpolitik. Die Reagan Regierung versprach, dass das Defizit, das durch Steuersenkungen von 1981 und durch die Erhöhung von Verteidigungsausgaben verursacht worden war, das Rezept sei, für Amerikaner wieder eine Arbeit zu beschaffen“, so DeLong. „Jeder hatte einen Plan zum Abbau von Arbeitslosigkeit. Jeder Lobbyist oder Spekulant gestaltete sein Lieblingsprojekt als eine magische Kugel zur Verringerung der Arbeitslosigkeit um“, ruft DeLong in Erinnerung. „Heute berührt die Arbeitslosigkeit die 10% Marke. Die Finanzmärkte senden ein Signal, dass die Überschussnachfrage nach hochwertigen Finanzanlagen wieder wächst. Aber anders als 1983 empfindet Washington keine Dringlichkeit“. DeLong kann diesen Unterbruch nicht verstehen.

„Hat die jahrzehntelange Ausweitung der Wohlstandsungleichheit eine klappernde Klasse von Reportern, Experten und Lobbyisten geschaffen, die ihre Verbindung zu „Mainstream“ Amerika verloren haben?“, fragt er. „Hat der Zusammenbruch der Gewerkschaftsbewegung nicht nur die politischen Muskeln der Arbeit entfernt, sondern auch ihr schlagendes Herz aus dem Bewusstsein der Mächtigen? Hat diese Rezession nur die Art von Menschen hinterlassen, die sich mit den Mächtigen in Washington unterhalten, die ihren Job sicher haben und damit beruhigt weiter kommunizieren, während die Arbeitslosen in Panik geraten? Beobachten wir nun passiv eine unvertretene Unterschicht der Langzeitarbeitslosen vor unseren Augen?“ Er wisse es nicht, so DeLong. „Aber diese Ruhe erstaunt mich wirklich ungehörig“.

PS: Zum Thema ein weiterer interessanter Essay („Why is Washington Dithering with Unemployment High?“; Warum Washington mit hoher Arbeitslosigkeit zaudert“) von Yves Smith in naked capitalism.

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