Sonntag, 14. November 2010

Dodd-Frank-Gesetz: Die „geordnete Auflösung“ der Finanzunternehmen

Es mag geschmacklos erscheinen, aber wir müssen uns auf die nächste Finanzkrise, die irgendwann kommen wird, vorbereiten, schreibt Robert Shiller in einem lesenswerten Essay („Bailouts, Reframed as Orderly Resolutions“) in  NYT. „Im Moment sind aber die Menschen so wütend auf die jüngsten Rettungspakete für Wall Street, dass die Regierung möglicherweise nicht dasgleiche Spielbuch wieder verwenden wird“, fügt der an der Yale University lehrende Wirtschaftsprofessor hinzu. Die Kritik hebt die Billionen von Dollars der Steuerzahler, die die Rettungsaktionen (bailouts) aufs Spiel setzten, hervor. „Die realisierten Verluste waren aber in der Tat winzig, wenn man sie mit der Abwendung des weit verbreiteten Leidens vergleicht“, so Shiller. „TARP dürfte mehrere Billionen von Dollars an Verlusten des BIP verhindert haben. Unsere wichtigste Hoffnung für den Umgang mit der nächsten grossen Krise ist das Dodd-Frank-Gesetz, welches eine Art von Rettungsaktionen fordert, aber es hat sie umformuliert, so dass sie für die Steuerzahler besser aussehen“, erklärt der Autor des Best-Seller-Buches „ Animal Spirits“. Nun werden die Rettungsaktionen „geordnete Auflösung“ („orderly resolutions“) genannt. „Psychologen sagen uns, dass subtile Veränderungen der Rahmung grosse Veränderungen der Wahrnehmen hervorbringen können“, betont Shiller.
Im Wesentlichen fordert das Dodd-Frank-Gesetz die FDIC, viel mehr die gleiche Sache für ein breites Spektrum von Finanzunternehmen zu tun, wie sie es mit traditionellen Banken getan hat. Das Dodd-Frank-Gesetz nimmt zu Kenntnis, dass die FDIC, wenn sie sich auf Finanzunternehmen einlässt, Hilfe brauchen kann. Das Gesetz schafft einen Fonds für eine geordnete Liquidation im Finanzministerium, welches Anleihen herausgeben kann, wenn nötig. „Natürlich könnte das als eine Rettungsaktion, für die das Geld der Steuerzahler verwendet wird, interpretiert werden, da die Schulden irgendwie zurückbezahlt werden müssten“, beschreibt Shiller. Hier ist aber die Umdeutung: „Das Dodd-Frank-Gesetz legt fest, dass die FDIC durch „Bewertungen“ („assessments“) von Finanzunternehmen zurückbezahlt werden wird. Diese Bewertungen werden nicht sofort bezahlt. Das Finanzministerium muss zunächst eingreifen und später wird zurückbezahlt“, erklärt Shiller.

Das ist eine klassische und potenziell wirksame Umrahmung („reframing“). Warum? „Die Zahlungen werden „assessments“ genannt, nicht Steuern. Und der Kontext ändert sich, mit der Last, die auf Wall Street fällt, nicht auf die Steuerzahler“, erläutert Shiller. „Natürlich werden nicht alle von „reframing“ überzeugt sein, sodass die Interventionen des Staates gutartig sind. Letztlich wird die Steuer tatsächlich durch die Öffentlichkeit bezahlt, weil die Finanzunternehmen von Tausenden und Abertausenden von Menschen besessen werden“, so Shiller. Die steuerzahlende allgemeine Öffentlichkeit wird die tatsächlichen Auswirkungen der Steuer vielleicht nie herausfinden können. „Aber viele Menschen haben ein verdächtiges Gefühl, dass die Freigebigkeit der Regierung sich irgendwann in höheren Steuern niederschlagen wird. Das ist teilweise der Grund für die Anstieg der Teaparty-Bewegung, und war ein Faktor in den jüngsten Kongresswahlen“, argumentiert Shiller. „Dennoch kann die durchdachte Gestaltung der Rettungsaktionen funktionieren. Sie kann helfen, die Leute, die die Komplexität des Finanzsystems nicht verstehen oder wie staatliche Eingriffe Katastrophen verhindern können, zu überzeugen“, ist Shiller überzeugt. „Die Arbeitslosigkeit wäre sicherlich sehr viel höher, wenn der Staat die Bailouts nicht eingeleitet hätte. Wir müssen hoffen, dass dem Dodd-Frank-Gesetz die Umformulierung gelingt und die Angst der Steuerzahler die Regierung davor nicht erschreckt, der Absicht des Gesetzes entschieden zu folgen. Solche Scheu könnte mehr Ausfälle à la Lehman zulassen“, erläutert Shiller weiter. „Die Umgestaltung der Behörde für die geordnete Liquidation muss als eine Form Diplomatie betrachtet werden, um unnötige Ängste zu vermeiden, welche das Finanzministerium und die FDIC davon abhalten könnten, unser Finanzsystem zu unterstützen. Das ist von entscheidender Bedeutung. Wir haben eine Depression in den Jahren 2008 und 2009 vermieden. Und wir müssen die nächste Krise auch so abwehren“, schlussfolgert Professor Shiller.

Mark Thoma bemerkt dazu, dass Shiller über den öffentlichen Zorn etwas vermissen lässt. „Da die Regierung keine „resolution authority“ für Banken im Schatten Bankensystem gehabt hat, hat sie nur zwei Möglichkeiten gehabt, als sie mit dem Zusammenbruch einer Grossbanken wie Bear Stearns oder Lehman konfrontiert wurde: Die Banken scheitern zu lassen und einen Domino-Effekt im ganzen Finanzsystem riskieren und eine möglicherweise Depression verursachen oder die Rettung der systemrelevanten Banken einschliesslich des Managements und der Anteileigner (Investoren), erklört Thoma. Der an der University of Oregon lehrende Wirtschaftsprofessor glaubt nicht, dass die zentralen Akteure bei der Fed und im Finanzministeriums überzeugt waren, dass sie die erforderliche Autorität hätten, um die Grossbanken zu übernehmen und das Management zu wechseln und sie einem traditionellen, FDIC-ähnlichen Verfahren zu überlassen, was Verluste für Investoren bedeuten würde. “ Mit der Wahl zur Rettung der Banken haben die Behörden auch diejenigen, die diesen Schlamassel verursacht haben, gerettet. Das hat den Eindruck hinterlassen, dass die Wohlhabenden und gut vernetzten gerettet werden, während die mittlere und untere Schicht die Zeche zahlen muss“, erklärt Thoma. Typische Haushalte sehen wirklich nicht ein, was sie von dem Rettungspaket haben. Sie verstehen nicht, warum z.B. die Regierung ihnen nicht hilft, die Kredite zurückzuzahlen. Wo war meine Rettung (bailout)?, fragen sie, fasst Thoma zusammen.

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