Dienstag, 14. Dezember 2010

Deleveraging: Der schmerzhafte Schuldenabbau-Prozess

Die US-Wirtschaft ringt zur Zeit mit dem schmerzhaften Prozess des Schuldenabbaus (deleveraging). Die Wurzel der gegenwärtigen Probleme liegt in der Verschuldung der amerikanischen Familien während der Immobilienblase in der Bush-Ära. Vor 20 Jahren lagen die Schulden eines durchschnittlichen amerikanishen Haushaltes auf 83% des Einkommens. In den danach folgenden zehn Jahren kletterte der Wert auf 92%. Ende 2007 erreichte das Schuldenniveau 130% des Einkommens. Die übermässige Kreditaufnahme fand statt, weil (1) die Banken jede Vorstellung von einer vernünftigen Kreditvergabe verloren haben und (2) alle davon ausgegangen sind, dass die Hauspreise niemals fallen würden. Und dann platzte die Blase. Seitdem hält der Deleveraging-Prozess an. Hoch verschuldete Amerikaner können jetzt nicht nur nicht Geld ausgeben, wie sie es früher konnten, sondern sie müssen die Schulden zurückzahlen, die sie in den Boom-Jahren angehäuft haben. Es muss aber jemanden geben, der die entstandene Lücke ausfüllt. Was jetzt passiert, ist, dass, wenn einige Menschen weniger Geld ausgeben, niemand mehr Geld ausgibt. Das übersetzt sich in eine depressive Wirtschaft und hohe Arbeitslosigkeit, wie Paul Krugman am vergangenen Freitag in seiner Kolumne in NYT beschreibt.


Schuldenabbau: Was dahinter steckt, Graph: Mark Whitehouse, WSJ

Was der Staat in dieser Situation tun sollte, ist, mehr Geld auszugeben, , um auf diese Weise die Beschäftigung zu fördern, bis alle Schulden abgebaut sind, während der private Sektor sich mit Ausgaben zurückhält. Der Deleveraging-Prozess macht indes jedoch Fortschritte. Die Verschuldung der amerikanischen Haushalte ist mittlerweile auf 118% der Einkünfte zurückgefallen. Eine schnelle Erholung der Wirtschaft würde diesen Prozess sicherlich beschleunigen. Mike Konczal befasst sich in diesem Zusammenhang in seinem Blog mit der Frage, wieviel vom gegenwärtigen Schuldenabbau auf Zahlungsausfall und wieviel davon auf Schuldenrückzahlung zurückgeht.

Als die Krise ausbrach, ahnten Menschen, dass ein hässlicher Prozess bevorstehen würde. Es gab zwei Möglichkeiten, um den Prozess zu erleichtern: (a) die Modifizierung der Konkurs-Ordnung, um Abschreibungen auf Hypothekenschulden zu fördern (bekannt als Cram-Down-Gesetzesvorlage), und (b) eine kurze Periode anhaltender Inflation, was aus allen ideologischen Ecken und Enden der Politik befürwortet wurde: Greg Mankiw, Kenneth Rogoff usw. Der Cram-Down-Gesetzesentwurf ist aber gescheitert, bemerkt Konczal. Was danach vorherrschte, waren Panik und Hysterie, angestachelt von Sarah Palin und der konservativen Basis in Kooperation mit Hard Money-Rechten: „Feuer, Feuer auf der Arche Noah!“-Stimmung. „Sie werden versuchen, 2011 ein Jahr der Belagerung gegen die US-Notenbank zu machen, Ängste schürend, dass wir jeden Augenblick mit einer Inflationskrise konfrontiert würden, obwohl wir tatsächlich Disinflation haben“, argumentiert Konczal. Das Ergebnis ist genau das, was man erwarten würde: Der Schuldenabbau der Verbraucher findet zumeist über Zahlungsausfälle statt. „Das ist das schmerzhafteste, äusserlich anfällige und langwierige Verfahren, um die Schuldenproblematik zu lösen, hält Konczal fest. Die Sparquote spiegelt weniger unsere Fähigkeit, um Schulden zurückzuzahlen, viel mehr unsere Unfähigkeit mit der Arbeitslosigkeit umzugehen. Und die Inkassovertreter klopfen an der Tür“, legt Konczal weiter dar.

Fazit: Der Schuldenabbau findet derzeit über zwei Wege statt: (a) durch Rückzahlung, (b) durch Zahlungsausfall. Oder die Zahlung fällt aus (default). Der Gesamtwert der Hypothekenschulden und Verbraucherkredite sind in den vergangenen zwei Jahren um 610 Mrd. $ zurückgefallen, auf 12'600 Mrd. $, wie die Fed berichtet. Der Anteil der Abschreibungen (von Banken und anderen Kreditgebern) macht aber 588 Mrd. $ der gesamten Summe von 610 Mrd. $ aus. Konczal ist zu Recht entsetzt, dass das Volksvermögen auf dem Niveau ist, wo lediglich der Schuldendienst geleistet werden kann, aber nicht die Rückzahlung der tatsächlichen Verschuldung.

Die US-Wirtschaft steckt in einer Bilanzrezession (balance-sheet recession). In einer Bilanzrezession sind staatliche Ausgaben nötig, um die Wirtschaft anzukurbeln. Sonst droht ein Double-dip, d.h. ein erneuter Rückfall in die Rezession. Ein Land, das in einer Bilanzrezession steckt, leidet unter überschüssigen Ersparnissen (savings glut, d.h. Ersparnisschwemme). Die Sparquote steigt u.a. auch in Grossbritannien, Irland, Spanien und Portugal. Wenn einer spart, muss ein anderer Schulden machen. Eine Volkswirtschaft kann nicht als Ganzes Geld ansparen. Jemand muss das angesparte Geld immer aufnehmen, also sich verschulden, um zu investieren. Da der Privatsektor keine Verwendung für die Ersparnisse findet, kann der Staat seine Schulden damit finanzieren.


Keine Kommentare: