Montag, 31. Januar 2011

War die Finanzkrise vermeidbar, oder nicht?

Der von der Obama-Regierung eingesetzte Untersuchungsausschuss (FCIC) hat vergangene Woche nach Prüfung von Tausenden von Dokumenten einen Schlussbericht vorgelegt. Es ging darum, die Ursachen der Finanzkrise zu entwirren und die Rolle der Regierung und der Banken sowie das Nachbeben der Krise zu erklären. Die 10-köpfige Kommission war jedoch entsprechend der Parteilinie geteilter Meinung. Die sechs Mitglieder der Demokraten stimmten zu, die Ergebnisse des Berichts zu übernehmen. Die vier Mitglieder der Republikaner hingegen gaben zwei Gegenstimmen ab. Keith Hennessey, Mitglied der Republikaner sagte, dass „wir schlussfolgern, dass die Krise vermeidbar war“. The New York Times will in diesem Zusammenhang von einer Reihe von Experten (Anat R. Admati, Yves Smith, William K. Black, Jeffry A. Frieden, Nicole Gelinas, Jeffrey A. Miron) wissen, ob die Schlussfolgerung, dass die Finanzkrise „vermeidbar“ wäre, vertretbar ist? Und was die parteipolitische Trennung in dieser zentralen Frage für künftige politische Entscheidungen bedeutet.

Wo waren die Kräfte und die Anreize, die die Beteiligten veranlassten, so zu handeln, wie sie es getan haben? Hat die Regierungspolitik es ihnen überlassen, so zu handeln? Und wenn ja, wie?, fragt Anat Admati in einem lesenswerten Schreiben („Addresss Excessive Leverage“). Das Problem mit Wohnungsbau-Politik war die verzerrte Art und Weise, wie Subventitionen fürs Wohneigentum vergeben wurden, erklärt die an der Harvard University lehrende Wirtschaftsprofessorin. Massnahmen zur Förderung des Wohnungswesens hat die Banken ermutigt, mehr Hypotheken zu finanzieren und implizit die Schulden von Freddie und Fannie zu garantieren, was wiederum für andere Kreditgeber bürgte, ermutigt übermässige Kreditvergabe zu betreiben. Das hat zu einer „credit bubble“ geführt, was folglich eine „Immobilienblase“ ausgelöst hat, legt Admati dar. Die Wohnungspolitik ist jedoch nicht allein für die beinahe Insolvenz vieler Banken verantwortlich. Der Schlüssel ist der übermässige Leverage (Hebelwirkung). Der FCIC-Bericht erwähnt dies, aber er versagt, darauf hinzuweisen, wie die staatliche Politik Anreize für Leverage geschaffen hat. Übermässige Hebelwirkung ist eine Quelle der Zerbrechlichkeit, hält Admati fest. Auch das Schatten Bankensystem und Rating-Agenturen haben zur Krise beigetragen. Die Krise war vermeidbar. Der Untersuchungsausschuss hat sich jedoch nicht genug auf die zugrundeliegenden Ursachen konzentriert. Aber sich vorzustellen, dass verschiedene Aktionen von verschiedenen Teilnehmern zu einem anderen Verlauf der Ereignisse geführt haben, hilft nicht weiter. Wollen wir CEOs beschuldigen, die versucht haben, für sich und ihre Aktionäre Geld zu verdienen, in Reaktion auf die Anreize, die das System bietet?, fragt Admati.

Fazit: Wie müssen uns auf die Entwicklung eines gesünderen Systems mit besseren Anreizen konzentrieren, in Achtsamkeit auf unvermeidbare Reibungen und Sachzwänge, so Admati. Angegangen werden müsste in erster Linie die übermässige Hebelwirkung.

Der Bericht verknüpft die Elemente wie exzessiver Einsatz von Fremdkapital (leverage), ungestüme Investitionen, schlechtes Risikomanagement, fehlende staatliche Aufsicht und Undurchsichtigkeit, kritisiert Yves Smith in einem lesenswerten Beitrag („Follow the Money“). Diese Schlussfolgerungen beruhen wiederum auf einem Fundament, nämlich dem massiven Betrug an den RMBS und CDO-Märkten. Die Antwort ist einfach: „Follow the money“, bemerkt die Autorin des grossartigen Blogs naked capitalism. John Paulson hat rund 20 Mrd. $ verdient, indem er Subprime-Kredite leerverkauft hat (short). Wie konnte das passieren? Paulson hat nicht Geld verdient, indem er in „good loans“ investiert hat, sondern in „bad loans“ (notleidende Kredite). Ein kleines Kartell hat durch die Generierung von „notleidenden Krediten“ den Markt unterlaufen, sodass es gegen sie Wetten abgeschliessen konnte. Gemessen an normalten Standards ist diese Aktivität sowohl betrügerisch als auch obszön profitabel, hebt Smith hervor.

Das Versagen, tiefer in die Industrie zu blicken, wie sich die Branche mit der Erstellung von giftigen Instrumenten bereicherte, scheint entworfen worden zu sein, um die Fiktion, dass die Reform 2010 ausreicht, aufrechtzuerhalten, argumentiert die Autorin des Buches „Econned: How Unenlightened Self Interest Undermined Democracy and Corrupted Capitalism“ Smith weiter. Wenn die Kernschmelze das Ergebnis von absichtlich unterlaufenen normalen Kontrollen gegen die Schaffung von schlechten Produkten ist, dann impliziert es, dass man sich nicht darauf verlassen kann, dass die Märkte sich selbst regulieren, beschreibt Smith.

Fazit:Follow the Money“ ist eine einfache Regel. Das hätte der Untersuchungsausschsuss beachten sollen. Alle Versionen des Berichts, einschliesslich die Einwände, sind irrelevant.

Wir wissen, dass die Finanzkrise vermeidbar war, weil wir eine Finanzkrise im Zeitraum 1990-1991 vermieden haben, indem wir die Spar- und Darlehenskassen (savings and loans) beaufsichtigt haben, schreibt William K. Black in seinem lesenswerten Beitrag („When Liar’s Loans Flourish“). „Liar’s Loans“ sind in Kalifornien in jenen Jahren durch die Decke geschossen. „Wir haben im Office of Thrift Supervision West Region solche Darlehen durch normale regulatorische Mittel vernichtet. Es bedarf keiner anspruchsvollen Finanzanalyse, um vorherzusagen, dass Darlehen ohne sinnvolles Underwriting durch die Hypothekengeber verboten werden sollten“, hebt der an der University of Missouri, Kansas City lehrende Rechtsprofessor hervor. Es ist seit Jahrzehnten bekannt, dass die hochrangigen Mitarbeiter von Banken Liar’s Loans bereitstellen, was im Wesentlichen von Kriminologen als „accounting control fraud“ (institutionalisierter Betrug im Rechnungswesen) und von Ökonomen als „looting“ (Plünderung) bezeichnet wird. Der ehem. Senior Regulator während der S&L-Krise präsentiert zudem das „Rezept“, wie kurzfristig ausgewiesene fiktive Einnahmen und die Vergütung von CEOs maximiert werden:

massiv wachsen,
mit einem Aufschlag Liar’s Loan kreieren,
mit extrem übermässiger Hebelwirkung (leverage) arbeiten,
in Bezug auf unvermeidlich massive  Verluste nur triviale Rückstellungen bereitstellen.

Liar’s Loans sind ideal für Betrug, weil es der einzige Weg ist, wie eine hohe Zahl von Kreditgebern zu einem Aufschlagskurs massiv wachsen kann, durch Kreditvergabe an Kreditnehmer, die oft nicht in der Lage sind, um die Kredite zurückzuzahlen, erklärt Prof. Black. Ein Liar’s Loan ist per definitionem nicht versichert (not underwritten). Niemand kontrolliert die von Finanzmaklern angegebenen Einkommen über die Kreditnehmer. Es gibt keinen Nachweis für Bilanzprüfung. Ein Kreditgeber, der sich an das oben erwähnte „Rezept“ hält, kann garantiert kurzfristige Gewinne und die Vergütung von CEOs maximieren. Dasselbe Rezept gilt auch für Verluste. Der Kreditgeber kann sich in diesem Fall auf der anderen Seite des „toxic waste“ davon machen, und zwar als ein reicher Mann.

Fazit: „Wenn die Regulierungsbehörden in einer ähnlichen Weise, wie unsere Behörde im Jahr 1991, gehandelt hätten, wäre die Finanzkrise heute in den USA verhindert worden und es hätte keine Rezession gegeben“, fasst Prof. Black zusammen.


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