Dienstag, 14. Juni 2011

Richtige Arithmetik der Eigenkapitalanforderungen für Banken

Die Banken glauben, dass die Regulierungsbehörden in ihren Bemühungen, eine weitere Finanzkrise zu verhindern, viel zu weit gegangenen sind. Jamie Dimon, CEO von JP Morgan Chase hatte vor diesem Hintergrund kürzlich die Dreistigkeit, den Fed-Präsidenten Ben Bernanke auf einer öffentlichen Pressekonferenz direkt mit der Frage zu konfrontieren, ob jemand bei der Fed sich die Mühe gemacht habe, die kumulative Wirkung der regulativen Massnahmen zu studieren? Dimon will damit den Eindruck erwecken, dass die Behörden sich über die Gesamtkosten der Finanzreform nicht vollständig im Bilde sind.

Welche Beweise hat aber Dimon? Das meiste, was er aufgelistet hat, betrifft die direkte Wirkung eines Kredit-Booms, der zu einer schweren Krise führte, bemerkt Simon Johnson in seiner lesenswerten Kolumne („Jamie Dimon’s Faulty Capital Requirement Math“) in Bloomberg. Einige der schlecht geführten Unternehmen sind gescheitert, einschliesslich Sparkassen und Hypothekenmakler. Die Zweckgesellschaften (SIV), die hypothekenbesicherte Wertschriften ausserbilanziell verbucht haben, sind verschwunden. Es gibt keine Subprime- oder Alt-A-Hypotheken mehr. Die Märkte sind transparenter geworden. Die Finanzinstitute haben ihre Hebelwirkung (leverage) reduziert und ihre Liquidität erhöht.


Stilisierte Darstellung der Kapitalstruktur einer Grossbank unter 3 Szenarien, Graph: Sanjai Bhagat, University of Colorado at Boulder und Brian Bolton, University of New Hampshire

Wie Dimon einräumt, muss das Risiko unter Kontrolle gebracht und durch den Privatsektor besser verwaltet werden, unterstreicht der an der MIT Sloan lehrende Wirtschaftsprofessor.

Die inhaltliche Frage, die Dimon laut Johnson offenbar unangenehm empfindet, sind Eigenkapitalanforderungen und v.a. die Nachricht, dass die Fed zusätzlich eine capital surcharge von 3% in Erwägung zieht, wobei „capital surcharge“ ein völliger Fehlgriff ist, da es nicht eine Steuer ist, sondern ein Puffer gegen Verluste darstellt.

Um auf Dimons Methodik zurückzugreifen: Was war die kumulative Wirkung der bisherigen niedrigen Eigenkapitalanforderungen in den USA und weltweit? Es waren rücksichtslose Risikobereitschaft und Misswirtschaft, die zu der Finanzkrise 2008 geführt haben, erklärt der ehemalige Chef-Ökonom des IWF. Wenn Sie Führungskräfte und Trader auf der Grundlage von Return-on-Equity, nicht risikobereinigt, entlohnen, dann gehen sie viel Risiko ein, die Auszahlungen zum eigenen Vorteil in den guten Zeiten zu fördern und die Verluste in den schlechten Zeiten der Allgemeinheit zu Last zu legen. Einer Forschungsarbeit („Bank Executive Compensation and Capital Requirements Reform“) von Sanjai Bhagat und Brian Bolton zufolge haben die Führungskräfre an der Spitze von 14 US-Finanzunternehmen während 2000-2008 über 2,6 Mrd. $ in bar (Gehalt, Bonus und Aktienoptionen) eingesackt. Viel von dieser Entschädigungen wären nicht ausgezahlt worden, wenn es ein angemessenes Risikomanagement gegeben hätte.

Die realisierten Abwärtsrisiken, wie sie an die Steuerzahler überreicht werden, sollten nicht an den Kosten von TARP (Troubled Asset Relief Program) oder Rettungsplänen der Fed gemessen werden, sondern im Hinblick auf den Anstieg der Staatsschulden, welchen die Finanzkrise ausgelöst hat, hebt Johnson hervor.

Um auf Dimons Frage zurückzukommen: Wir wissen, dass die früheren geringen Kapitalanforderungen zu sozialen Verlusten geführt haben, die von Steuerzahlern getragen worden sind, und zwar in Billionen von Dollars, sowie Verlusten an Arbeitsplätzen und an Wohnimmobilien, während die privaten Gewinne sich auf niedrige Milliarden Dollars belaufen, legt der Autor des Buches 13 Bankers dar.

Höhere Eigenkapitalanforderungen werden natürlich die Art und Weise, wie die Banken wie z.B. JP Morgan Chase tätig sind, ändern. Das ist aber ein Plus, nicht Minus. Grossbanken geniessen heute eine implizite Staatsgarantie, weil der Markt erwartet, dass der Staat eingreift und sie rettet, wenn es nötig wird.

Das Wichtigste ist, die implizite Staatsgarantie zurückzuziehen, die JP Morgan Chase und andere grosse Banken zu staatlich gestützten Unternehmen  macht und zur Fehlbewertung von Risiken auf der ganzen Welt beiträgt, so Johnson.

Die richtige Arithmetik lautet: Berechnen Sie die tatsächlichen sozialen Kosten des bestehenden Systems und wiegen Sie sie gegen die nicht vorhandenen sozialen Kosten der deutlich höheren Eigenkapitalanforderungen für die Grossbanken ab.

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