Montag, 20. Juni 2011

Zinsen und Intellektuelle Hartnäckigkeit

(Wonkish)

Paul Krugman unterstreicht in seinem Blog mit dem Hinweis auf einen lesenswerten Beitrag („A Sokratic Dialogue“) von Brad DeLong, dass die Geschichte mit den Zinssätzen in dieser Krise bemerkenswert ist und nicht ausreichend gewürdigt werde.

Wie es in Einzelheiten aussieht, erklärt Krugman wie folgt: Im Frühjahr 2009 waren wir mit der Aussicht (a) der Kreditaufnahme durch die USA und andere fortgestrittene Länder konfrontiert, weil die Rezession die Einnahmen der öffentlichen Hand verwildert und die Kosten des sozialen Sicherheitsnetzes erhöht hat. Und wir waren mit der Aussicht (b) eines längeren Zeitraums der hohen Arbeitslosigkeit konfrontiert, wobei die Geldpolitik wahrscheinlich für die kommenden Jahre mit der unteren Grenze von Null zu tun haben würde.

Viele private Investoren und Ökonomen sowie Kommentatore, die Keynes nie verstanden haben, sagten zuversichtlich steigende Zinsen voraus. Ökonomen, die Keynes verstehen, sagten, dass die Zinsen niedrig bleiben würden, es sei denn, die Kreditaufnahme durch den Staat ist gross genug, um die Wirtschaft auf so etwas wie Vollbeschäftigung zurückzubringen, was aber unwahrscheinlich aussah.


IS-Kurve, Vollbeschäftigung, Graph: Prof. Paul Krugman

Das Argument, dass die Zinsen niedrig bleiben würden, war übrigens nicht kompliziert: Es bezieht sich darauf, dass die IS-Kurve so wie in der Abbildung aussieht.

Und dass es für die Zinsen keinen Grund gab, zu steigen, auch mit einer grossen Kreditaufnahme des Staates, es sei denn, die Kreditaufnahme verschiebt die IS-Kurve genug nach rechts, um die Wirtschaft über die Untergrenze von Null zu bringen. Die Subtilität entstand aus dem Verständnis, dass an jedem Punkt auf der IS-Kurve das Angebot und die Nachfrage nach loanable funds in der Tat gleich sind, dass die Liquiditätspräferenz (liquidity preference) und loanable funds zutreffen.

Und zwei+ Jahre später: die Renditen für US-Treasury Bonds mit 10 Jahren Laufzeit betragen lediglich 2,94%. Dies sollte als ein Triumpf der ökonomischen Analyse gezählt werden. Das Modell stand gegen die Instuitionen der praktisch agierenden Männer und das Modell lag richtig.

Und niemand bemerkt, dass der ökonomische Diskurs (sogar eine Menge Anlagestrategie) sich weiterhin auf die „Angebot-Nachfrage-nach-Bonds-Sicht“ stützt, auch wenn sie durch die Erfahrung gründlich widerlegt wurde.

Wie ist es möglich?

Eine Antwort ist, dass die Griechen die Gewässer getrübt haben. Das Problem der Zahlungsfähigkeit der griechischen Regierung hat eigentlich mit der Vorstellung nichts zu tun, dass wir einem crowding out gegenübersehen, weil der Staat so viele Bonds verkauft, auch wenn die Wirtschaft depressiv ist. Aber viele der ursprünglichen Propheten von crowding out haben das Thema Griechenland aufgeriffen, um ihre Ansichten zu rechtfertigen.

Ganz allgemein stellt es sich heraus, dass die Hicks/Keynes-Analyse schwieriger ist als sie aussieht und dass auch kluge Leute, viele von ihnen mit Dr. Titel in Wirtschaftswissenschaften die Vorstellung nicht vollständig erfassen können, dass es manchmal nicht ausreicht, sich nur Angebot und Nachfrage anzusehen.

Das Ergebnis ist frustrierend (die eine Theorie hat sich als falsch erwiesen und die andere als richtig. Aber die Welt glaubt weiterhin an die Theorie Nr. 1). Es ist auch tragisch, weil die intellektuelle Hartnäckigkeit zu „new normal“ der dauerhaft hohen Arbeitslosigkeit beiträgt, fasst Krugman zusammen.

PS:
Brad DeLong erklärt in einem Folgebeitrag das Hicks’sche Liquiditätsfalle-Modell.

Mark Thoma liefert dazu weitere Details.

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