Sonntag, 30. Oktober 2011

Keynesianismus mit Waffen

Paul Krugman deutet in seinem Blog auf ein „neues Prinzip“ der Volkswirtschaftslehre hin. Es ist natürlich ironisch gemeint, was das „Prinzip“ betrifft. Was aber wahr ist, was die Republikaner jetzt behaupten: „Staatsausgaben können keine Arbeitsplätze schaffen. Aber die Kürzung der Staatsausgaben können Arbeitsplätze vernichten, wenn die Arbeitsplätze sich im Verteidigungssektor befinden“.

Krugman verwendet für die plötzliche Entdeckung der Republikaner den von Frank Barney geprägten Begriff „bewaffneten Keynesianismus“ („weaponized Keynesianism“), dass die Kürzungen der Staatsausgaben Arbeitsplätze kosten und die Arbeitslosigkeit hoch fahren, solange die Ausgaben die Zerstörung (destruction) statt Aufbau (construction) betreffen.

Die Wirtschaftswissenschaft ist nicht Moralität, bekräftigt der an der University of Princeton lehrende Wirtschaftsprofessor. Soweit es die Schaffung der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage angeht, sind Ausgaben Ausgaben: öffentliche Ausgaben sind genauso gut wie private Ausgaben, nicht besser. Ausgaben für Bomben sind so gut wie die Ausgaben für öffentliche Parks, legt Krugman dar. Wie er lange her darauf hingewiesen hat, würden Massnahmen, die sich auf eine wahrgenommene Bedrohung einer angeblichen Invasion durch Alien stützen, schnell wieder die Vollbeschäftigung herstellen würden, auch wenn die Ausgaben für völlig nutzlose Objekte geschähen.

Es ist laut Krugman erwähnenswert, dass eine der wichtigsten Quellen der Beweise, dass die expansive Fiskalpolitik die Wirtschaft tatsächlich ankurbelt, aus der Verfolgung der Auswirkungen der Veränderungen für Verteidigungsausgaben herrühren. Das gilt für die Studien der Depression-Ära (wie die von Almunia und anderen) und auch für einige Studien, die von Romer und Romer über die Fiskalpolitik stammen.

Warum soll man sich auf die Verteidigung konzentrieren? Es gibt laut Krugman zwei Gründe: (1) In der Praxis sind es Ausgaben für die Verteidigung, die sich bewegen. Die Tatsache ist, dass gross angelegte Konjunkturprogramme bestehend aus inländischen Ausgaben grundsätzlich nicht erfolgend. Für Kriege und Wettrüstung aber schon. (2) Die inländischen Ausgaben sind tendenziell endogen. Das heisst, dass sie auf Ereignisse in der Wirtschaft reagieren, sodass Ursache und Wirkung sich verwischen. Die Ausgaben für Arbeitslosenversicherung legen i.d.R. während Rezessionen kräftig zu. Die Kausalität verläuft jedoch von der Rezession in Richtung Ausgaben, nicht umgekehrt.

Der Beleg zeigt deutlich, dass „weaponized Keynesianism“ funktioniert, was bedeutet, dass Keynesianism im allgemeinen funktioniert, hält der Träger des Wirtschaftsnobelpreises (2008) fest.

Warum reden aber Politiker und ihre angeheuerten wirtschaftlichen Propagandisten anders? Krugman vertritt die Ansicht, dass es genau so ein starkes Element des Zynismus wie eine echte geistige Verwirrung mit im Spiel gibt.

Von welchem Zynismus redet Krugman? Zunächst verweist er auf die allgemeine Angst auf Seiten der Konservativen, dass sich auf diese Weise, wenn sie einräumen, dass der Staat etwas Sinnvolleres machen kann als Kriegsführung, die Tür im allgemeinen für Weltverbesserung öffnen würde. Das erklärt, warum die Konservativen den Keynesianismus immer als eine gefährliche linke Doktrin betrachten, auch wenn es keinen Sinn ergibt, was den eigentlichen Inhalt der Theorie betrifft. Dazu kommt das Kalecki-Argument, dass das Eingeständnis, dass der Staat Arbeitsplätze schaffen kann, die Anforderungen  untergräbt, dass die Politik so gestaltet wird, dass für alle wichtigen Unternehmensvertrauen gesorgt wird.

Es gibt aber auch das Keynes/Kohlenbergwerk-Argument, wonach es eine starke Tendenz gibt, alle Ausgaben, die wie ein Geschäftsvorhaben aussehen (z.B. Bau von Brücken oder Tunnels, die Unterstützung von Solarenergie oder Nahvekehr), für sich einzunehmen und zu fordern, dass sie in Bezug auf ihren finanziellen Ertrag wie eine gute Investition erscheinen. Dies lässt die meisten dieser Ausgaben schlecht aussehen, da eine depressive Wirtschaft per definitionem eine Wirtschaft ist, in der Unternehmen keine gute Gründe sehen, zu investieren. Die Verteidigung wird davon ausgenommen, weil niemand erwartet, dass die Bomben eine gute Geschäftsangelegenheit sind.

Fazit: Die Moral sollte hier sein, dass die Ausgaben, die die Beschäftigung in einer depressiven Wirtschaft fördern, nicht als etwas betrachtet werden, was einen guten finanziellen Ertrag abwerfen muss. Tatsächlich sind die meisten der verwendeten Ressourcen in der Realität frei. Krugman wundert sich daher, ob „wir jemals ein politisches System haben werden, welches dies begreift“.

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