Donnerstag, 5. Juli 2012

Libor – Mehr Lügen


Bob Diamond galt noch am Montag als unentbehrlich. So sahen ihn zumindest seine Anhänger. Doch am Dienstag ist der Vorstandschef von Barclays zurückgetreten.

„Diamonds Sturz war spektakulär und vollständig. Es war durchaus angemessen“, schreibt Simon Johnson in einem lesenswerten Artikel („Lie More, as a Business Model“) in NY Times.

Der an der MIT Sloan lehrende Wirtschaftsprofessor verweist vor diesem Hintergrund auf einen lesenswerten Artikel von Dennis Kelleher im Blog von Better Markets, einer Gruppe, die Finanzreform befürwortet. Die Kontroverse, die Diamond zu Fall gebracht hat, hat mit absichtlicher und jetzt anerkannter Täuschung durch Barclays Mitarbeiter in Bezug auf die Daten-Meldung in Sachen Libor zu tun.

Kelleher formuliert es schonungslos: das Problem ist „Lie More“ (mehr Lügen), nicht Libor. Der Punkt ist, dass das besagte Verhalten der Bank eine Auswirkung auf Kredittransaktionen im Nominalwert von mindestens 800‘000 Mrd. US-Dollar hat.

Die Worte mögen hart klingen. Aber sie liegen genau im Einklang mit dem kürzlich veröffentlichten Leitartikel („Shaming the Banks Into Better Ways“) von Financial Times (FT), einer Zeitung, die nicht gerade dafür bekannt ist, gegenüber dem Bankensektor feindlich gesinnt zu sein. Die britische Wirtschaftszeitung redet von einer „lange laufenden Bauernfängerei“, m.a.W. von einerm Trickbetrug.

Die Redaktion von FT liegt mit dem Hinweis auf das Kultur-Problem völlig richtig, was innerhalb von Barclay offenbar akzeptabel war und vielleicht sogar gefördert wurde, um falsche Informationen zu liefern. Der Leitartikel unterschätzt aber laut Johnson die Bedeutung von Anreizen für die Schaffung dieser Kultur. Die Mitarbeiter von Barclays taten, wofür sie bezahlt wurden. Die aktuellen Nachrichten aus dem Unternehmen legen nahe, dass von Boni, die ausgeschüttet wurde, nichts zurückgezahlt werden muss.

Banken, wie sie zur Zeit organisiert und verwaltet werden, kann man nicht trauen, jene öffentlich wichtige Funktion, die gegen die wahrgenommenen Interessen ihrer Mitarbeiter gerichtet sind, durchzuführen, beschreibt Martin Wolf, der Chef-Ökonom von FT in einem weiteren Artikel („Banking reforms after the Libor scandal“).

„Die Vorstellung, dass mein Wort mein Libor ist, ist tot“, legt Mervyn King, der Gouverneur der Bank of England (BoE). Das heisst in Übersetzung, dass niemand mehr Grossbanken glauben wird, wenn ihre Führungskräfte behaupten, dass sie zu einem bestimmten Zinssatz Kredit aufgenommen haben. Man muss die tatsächlichen Transaktionsdaten sehen müssen.

Kelleher hat Recht. Die globalen Megabanken haben einen Anreiz, Kunden, darunter sowohl Einzelpersonen als auch nicht-finanzielle Unternehmen zu täuschen. Ihre Grösse verleiht sowohl Marktmacht als auch die politische Macht, die notwendig ist, um das Aussmass des wirtschaftlichen Betrugs zu verschleiern. Der Mangel an Transparenz in Derivatemärkten bietet ihnen die Möglichkeit, zu betrügen, aber die Missbräuche sind viel breiter, wie der Libor-Skandal demonstriert, legt Johnson dar.

Kelleher trifft den Nagel auf den Kopf: sie nennen sich selbst „Banken“. Aber sie sind es nicht in einem herkömmlichen Sinne. Sie sind globale Giganten, die nicht nur Too Big To Fail, sondern auch Too Big To Regulate. Nehmen wir als Beispiel JPMorgan Chase: es hat eine Bilanzsumme von 2‘350 Mrd. US-Dollar mit mehr als 270‘000 Mitarbeitern weltweit, Tausende von juristischen Personen, 554 Tochtergesellschaften und wie die jüngsten Trading-Verlust in London belegt, einen Chef, einen Chief Financial Officer und ein Management Team, die keine Ahnung davon haben, was in der eigenen Bank los ist.

Zur Erinnerung: Diamond, Ex-CEO von Barclays wurde im letzten Jahr mit 20 Mio. Pfund vergütet. Und er sagte als Leader der britischen Banken berharrlich, dass alle aufhören sollen, die Banken zu schikanieren.

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