Montag, 1. Oktober 2012

Libor zwischen Lüge und Fiktion


Martin Wheatley von FSA, der britischen Bankenaufsicht hat am Freitag in London mitgeteilt, dass der Libor gerettet werden kann. Obwohl das gegenwärtige System zerrüttet ist, ist es nicht irreparabel, betont der Aufseher.

Die britische Regierung hatte Wheatley beauftragt, das System zu untersuchen. Weltweit stehen nämlich eine Menge Banken (in Europa, den USA und Japan) unter Verdacht, über Jahre hinweg Zinsmanipulationen betrieben zu haben.

Der Libor dient dazu, den Zinssatz festzulegen, zu dem Banken sich untereinander kurzfristig Geld leihen. Der Referenzzinssatz gilt weltweit als Basis für Wertpapiere im Wert von 350‘000 Mrd Euro. Es gibt insgesamt 150 verschiedene Libor-Zinssätze für unterschiedliche Währungen und Laufzeiten. Wheatley will die Zahl auf 20 reduzieren.

Es gab von Anfang an zwei implizite Annahmen in Bezug auf den Libor, erklärt Floyd Norris in NYTimes: die erste war, dass die Banken damit praktisch risikofrei wären oder dass das Risiko zumindest klein wäre und im Verlauf der Zeit sich nicht viel ändern würde. Die zweite war, dass es eine Möglichkeit gäbe, um den Referenzzins tatsächlich zu berechnen. Beide Annahmen haben sich als falsch erwiesen.

Es gab dazu vor ein paar Jahren allzu aktuelle Parallelen: Die sog. Senior Tranches von ABS (asset-backed securities), d.h. von besicherten Wertpapieren. Investoren suchten nach risiko-freien Wertschriften mit beweglichen Zinssätzen (floating rates) und die Wall Street hat im Wert von Billionen von Dollar solche Papiere geliefert. Das Ergebnis ist bekannt.

Der Libor ist und bleibt daher eine Fiktion, betont Norris. Die Libor-Fiktion hat in den 1980er Jahren begonnen, als die Finanzwelt einen Bedarf im privaten Sektor meldete: einen praktisch risikolosen Zinssatz als Massstab. Die Banken hatten dazu gelernt, dass die Vergabe eines langfristigen Darlehesn mit festen Zinsen Risiken enthielt. Die Gefahr bestand darin, dass die Marktzinsen anstiegen, was die Kosten für die Bank anheben würde.

Kurzfristige Kredite könnten deshalb das Problem lösen, war die Idee, aber auf die Gefahr hin, dass der Kreditnehmer jederzeit gezwungen werden könnte, den Kredit zurückzuzahlen, was aber aus einem langfristigen Projekt herausgenommen werden müsste. Also nicht ohne Komplikationen. Ein Darlehen könnte aber auch langfristig vergeben werden, wenn es einen Referenzzinssatz gäbe, der in regelmässigen Abständen gestützt auf die Finanzierungskosten der Banken ermittelt würde. Wenn ein Darlehen drei Prozentpunkte über den 3-Monats-Libor festgelegt würde, würde die Bank eine angemessene Risikoprämie bekommen.

Der internationale Referenzzinssatz Libor wurde jedoch von Banken zum eigenen Nutzen manipuliert, wie der Skandal in Grossbritannien vor Augen führt. Der Libor wird täglich auf Grundlage von Angaben einer Gruppe von angeschlossenen Banken ermittelt. Der britische Bankenverband (BBA), der bislang die Erhebungen über die Preisbildung des Interbankensatzes durchgeführt hat, soll nun laut Wheatley ersetzt werden. Ein neues Gremium wird in Zukunft die Aufgabe übernehmen.

Fazit: Kredite mit variablen Zinssätzen für Privatkunden hängen von Libor ab. Die unter Verdacht stehenden Banken haben allem Anschein nach versucht, durch falsche Angaben die Risiken und Kosten auf die Öffentlichkeit zu übertragen.

Keine Kommentare: