Donnerstag, 22. November 2012

Trennung von Geld- und Fiskalpolitik?


Die EZB übernimmt bekanntlich aus dogmatischen Gründen keine Verantwortung für die finanzielle Stabilität im Euro-Raum. Die Defizit-Schimpfer wollen die EZB aus der Bewältigung der Euro-Krise weitestgehend heraushalten. Schliesslich werde mit unkonventionellen geldpolitischen Massnahmen erhebliche Risiken übernommen.

Wie sinnvoll ist es aber, mitten in einer schweren Finanz- und Wirtschaftskrise darauf zu bestehen, die Trennung zwischen Geld- und Fiskalpolitik wiederherzustellen? Eine weitere interessante Frage ist in diesem Zusammenhang, warum heute in der EU-Zone ein Spannungsfeld zwischen Geld- und Fiskalpolitik besteht?

Vor diesem Hintergrund hat sich Fritz Zurbrügg, Mitglied des Direktoriums der Schweizerischen Nationalbank (SNB) in einem äusserst interessanten Referat gestern an der Uni Luzern mit dem Thema „Fiskal- und Geldpolitik im Spannungsfeld stabilitätsorientierter Wirtschaftspolitik“ befasst. 

Zurbrügg veranschaulicht zuerst die Ziele und die Rollenverteilung der beiden Bereiche der Wirtschaftspolitik: Es gibt zwangsläufig kein Spannungsfeld zwischen Geld- und Fiskalpolitik. Schaut man sich die Ziele der Geld- und Fiskalpolitik an, stellt man fest, dass sie sehr ähnlich sind.

Die Geldpolitik wird heute in den meisten Industrieländern von unabhängigen Zentralbanken geführt und ist vorrangig dem Ziel der Preisstabilität verpflichtet. Dabei muss die Geldpolitik aber auch den Konjunkturverlauf berücksichtigen, erklärt Zurbrügg.


Ziele der Fiskal- und Geldpolitik, Graph: Fritz Zurbrügg, SNB, Nov 21, 2012

Die Fiskalpolitik soll sicherstellen, dass die Ausgaben und Einnahmen auf Dauer im Gleichgewicht sind. Gleichzeitig soll in der Einnahmen- und Ausgabenpolitik die Konjunkturlage berücksichtigt werden. Die Fiskalpolitik hat eine wichtige Funktion zur Stabilisierung der Konjunktur.

Die Fiskalpolitik verfolgt damit ein ganz ähnliches Ziel wie die Geldpolitik. Indem günstige Bedingungen für ein dauerhaftes und möglichst ausgeglichenes Wirtschaftswachstum geschaffen werden, wird der gesellschaftliche Wohlstand gefördert, legt Zurbrügg dar. „Die angestrebten wirtschaftspolitischen Ziele von Geld- und Fiskalpolitik sind eng miteinander verwandt – wenn nicht sogar deckungsgleich“.


Gegenseitige Abhängigkeit, Finanzmarkt, Graph: Fritz Zurbrügg, SNB, Nov 21, 2012

In normalen Zeiten sollte also kein Spannungsfeld zwischen Fiskal- und Geldpolitik bestehen. Es bestehen jedoch starke Wechselbeziehungen zwischen Fiskal- und Geldpolitik, weil die Handlungen sich gegenseitig auf dem Finanzmarkt und in der Realwirtschaft beeinflussen.


Gegenseitige Abhängigkeit, Realwirtschaft, Graph: Fritz Zurbrügg, SNB, Nov 21, 2012

Die Geldpolitik nimmt mit der Festlegung des Referenzzinssatzes am Geldmarkt Einfluss auf die Inflationserwartungen und die Inflationsprämie. Und eine stabilitätsorientierte Geldpolitik ermöglicht es Haushalten und Unternehmen, ihre wirtschaftlichen Entscheidungen unter weniger Unsicherheit zu fällen. Davon kann auch die Fiskalpolitik profitieren: ein stetiger Konjunkturverlauf bedeutet stabiliere Einnahmen und Ausgaben, erläutert Zurbrügg.

Fazit: Eine erfolgreiche Geldpolitik setzt somit eine gesunde Fiskalpolitik voraus und umgekehrt.

Damit Fiskal- und Geldpolitik ihre diskretionären Spielräume nicht missbrauchen, sollten klare und verbindliche Regeln existieren. Grundsätzlich kann die Fiskalpolitik laut Zurbrügg durch automatische Stabilisatoren und diskretionäre Massnahmen umgesetzt werden. 

Die Massnahmen müssen die 3 T-Kriterien erfüllen, damit sie wirksam sind: timely, targeted und temporary.

(1) Diskretionäre Massnahmen müssen rechtzeitig (timely) greifen, damit sie nicht prozyklisch wirken. (2) Solche Massnahmen müssen gezielt (targeted) sein, so dass die betroffenen Sektoren und Branchen gestützt werden können und (3) sie müssen vorübergehender Natur (temporary) sein, damit sie nicht zu einer dauerhaften Belastung des Staatshaushaltes werden.

Die SNB hat die Aufgabe, die Preisstabilität zu gewährleisten und dabei der konjunkturellen Entwicklung Rechnung zu tragen.

Die EZB hingegen unterstützt im Euro-Raum eine pro-zyklische Politik, die den schweren Abschwung noch verstärkt. Es ist erstaunlich, warum in Deutschland die Gefahren einer prozyklischen Politik nicht erkannt wird. Es war der damalige Reichskanzler Heinrich Brünnig, der Anfang der 1930er Jahre eine solche Politik verfolgte, die den ökonomischen und politischen Zusammenbruch Deutschlands herbeiführte, wie Peter Bofinger in seinem lesenswerten neuen Buch („Zurück zur D-Mark?“) schildert.

In der Schweiz besteht heute trotz des schwierigen wirtschaftlichen Umfeldes kein Spannungsfeld zwischen Geld- und Fiskalpolitik.

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