Sonntag, 13. Januar 2013

Warum braucht Japan überhaupt ein Konjunkturprogramm?


Die neue japanische Regierung hat neulich ein weiteres grosses Konjunkturpaket auf den Weg gebracht. Das Stimulus-Paket in Höhe von 20,2 Billionen Yen (ca. 170 Mrd. Euro) soll die gesamtwirtschaftliche Nachfrage wiederbeleben.

Der japanische Premierminister Shinzo Abe, die die Wahl im Dezember gewonnen hat, unternimmt also einen keynesianischen Versuch. Seine Motive sind jedoch ungewiss. Lehnt Abe die gängige Meinung in Bezug auf die Staatsausgaben ab? Oder will er einfach die japanische Zentralbank (BoJ) in die Zange nehmen? Abe wird nämlich nachgesagt, dass er an Wirtschaft kaum Interesse hat.

Warum braucht aber Japan ein Konjunkturprogramm? Das ist eine interessante Frage, die Noah Smith in seinem Blog aufwirft. Die Arbeitslosigkeit ist in Japan im Vergleich zu EU und den USA relativ niedrig. Die japanische Wirtschaft scheint zudem in einer besseren Lage zu sein als viele Marktbeobachter denken.

Davon abgesehen steht aber fest, dass Japan weltweit die einzige fortentwickelte Volkswirtschaft ist, die gleichzeitig fiskal- und geldpolitischen Stimulus fördert, um die gesamtwirtschaftliche Nachfrage anzukurbeln, während die Wirtschaftspolitik in der gesamten fortgeschrittenen Welt von der Austerian-Orthodoxie dominiert wird, wie Paul Krugman in seinem Blog betont.

Auch wenn überall dort, wo explizit keine Austerität-Politik betrieben wird, wie z.B. in den USA, führt die Angst vor Haushaltsdefizit zu einer „Gürtel-enger-schnallen“-Politik (fiscal tightening), während die Geldpolitik zu kurz greift, und die Wirtschaft in einer Liquiditätsfalle steckt.


Reales BIP-Wachstum im Vergleich: Die USA, die EU und Japan, Graph: Prof. Paul Krugman

Abe hat wiederholt hervorgehoben, dass er von der BoJ erwartet, weiterhin Liquidität in den Markt zu pumpen. Das ist bemerkenswert, da Japan im Angesicht der Staatsschulden von rund 200% des BIP als warnendes Beispiel weltweit gehandelt wird.

Es gab insbesondere im Jahr 2009 viele Berichte, dass Japan in eine Katastrophe steuere. Eigentlich nicht. Die japanischen langfristigen Zinsen sind im Frühjahr 2009 zuerst angestiegen, nicht wegen der Angst vor Bond Vigilantes, sondern weil Hoffnungen auf eine Erholung der Wirtschaft aufkamen. Dann, nachdem die Hoffnungen verblasst sind, sind die Zinsen am langen Ende der Ertragskurve wieder gesunken. Und heute notieren sie deutlich unter 1 Prozent.

Nach der Ankündigung des aktuellen Stimulus-Pakets sind die Zinsen in Japan nicht durch die Decke geschossen. Der Yen hat sich abgewertet, was für Japan ein Segen bedeutet, weil dadurch das Exportgeschäft gefördert wird.

Angesicht der Tatsache, dass Japans Bevölkerung im erwerbstätigen Alter schrumpft, ist es anzunehmen, dass Japans Wirtschaft sich nahe an Potential Output (Potenzialwachstum) befindet als die USA.

Wenn es Japan aber relativ gut geht, in zyklischer Hinsicht, ist es noch lange nicht klar, warum für das Land makroökomische Vorsicht angebracht sein soll, wie Krugman unterstreicht. Schliesslich hat Japan ein lange währendes monetäres Problem: anhaltende Deflation, was bedeutet, dass Japans reale Zinsen deutlich über denen der USA gewesen sind, auch wenn die nominellen Zinsen niedrig sind.

Japan muss also aus der Deflation-Falle kommen. Und die Situation, wo die Wirtschaft nicht ganz durchhängt, ist eine gute Zeit, um dagegen etwas zu unternehmen.

Vor diesem Hintergrund macht Krugman auf die Inflationserwartungen in Japan aufmerksam. Gemessen an Break-even Sätzen (5 Jahre) sind die Inflationserwartungen bereits vor der Amtsübernahme von Abe angestiegen, was vielleicht damit zu tun hat, dass die Daten damit eine Veränderung im politischen Umfeld widerspiegeln, dass die Zeit der Unabhängigkeit der BoJ, monetäre Orthodoxie zu verhängen, zu Ende geht. Im Zusammenhang mit einer expansiven Fiskalpolitik bedeutet das Ganze, dass die deflationäre Ära in Japan endlich zu Ende kommt, hält Krugman fest.

Es sieht so aus, als ob Japan heute genau das tun würde, was aus Sicht der Wirtschaftspolitik in einer Depression zu tun ist, unabhängig davon, welche Motive die gegenwärtige japanische Regierung sonst verfolgt.

Japans Wirtschaft führt also die Besonderheiten einer Wirtschaft, die auf der Null Grenze (zero lower bound) steckt, demonstrativ vor Augen. Und wenn man als Ökonom eine verzogenen ästhetischen Sinn hat, ist es eigentlich ganz schön, zu beobachten, dass es sich dabei um gute Nachrichten für Japan handelt.

Bemerkung:

(Nur für Streber)

Der wichtige Punkt ist, sich zu vergegenwärtigen, dass die japanischen kurzfristigen Zinsen knapp auf der Null-Grenze liegen, die langfristigen Zinsen hingegen nicht. Aber auch sie sind immer noch eingeschränkt, weil sie den Durchschnitt der in Zukunft erwarteten kurzfristigen Zinsen reflektieren. Da die kurzfristigen Zinsen nur noch steigen können, also nicht mehr fallen, bleiben auch die langfristigen Zinsen irgendwie über Null, unabhängig davon, wie schlecht das gegenwärtige Umfeld der Wirtschaft ist. 

Die langfristigen Zinsen sind also als Teil dieses Prozesses ziemlich starr (sticky), wobei sie auf die Veränderungen in den wirtschaftlichen Fundamentaldaten nur geringfügig reagieren. Die japanischen Zinsen am langen Ende der Ertragskurve sind infolgedessen viel weniger gefallen als in anderen fortentwickelten Ländern.

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