Donnerstag, 1. August 2013

BIP-Revision: Kapitalisierung von Ausgaben

Die statistischen Mitarbeiter der Bureau of Economic Analysis (BEA) sorgen in diesen Tage für Schlagzeilen auf beiden Seiten des Atlantiks. Das Bruttoinlandprodukt (BIP) der USA erhöht sich nach einer neuen Berechnung um 560 Mrd. US-Dollar. Damit erreicht die Wirtschaft mit einem Schlag einen Wert von 16‘600 Mrd. $. Der Zuwachs entspricht etwa dem Beitrag von New Jersey zur Wirtschaftsleistung des Landes in einem Jahr.

Jared Bernstein und Dean Baker befassen sich vor diesem Hintergrund in einem lesenswerten Artikel („What is Seinfeld worth?“) in NYTimes mit der Frage, was im Hinblick auf die Wirtschaftsleistung als Wert und Kosten zu betrachten ist und was weggelassen werden kann. Eine weitere Frage, die die Autoren aufwerfen, ist, was die ganze neue Berechnung für die normalen Menschen bedeutet.

Die einschlägigen Veränderungen sind im Grunde genommen ziemlich einfach. Bisher galt, dass die Regierung den Kauf einer Bohrmaschine durch eine Fabrik als Investition betrachtet hat; eine Investition, die Einkommen im Verlauf der Zeit generiert und abgeschrieben wird, bis die Wertschöpfung auf null sinkt.

Wie behandelt man aber z.B. Filmgesellschaften oder TV-Studios, die dauerhafte Hits wie „Star Wars“ oder „Seinfeld“ herstellen, wodurch auch Einkommen geschaffen wird?  In diesem Sinne ist ihre Produktion wie eine Kapitalanlage, die aber bislang in der Berechnung der gesamtwirtschaftlichen Leistung nicht berücksichtigt wurde.

Die US-Statistiker werden von jetzt an auch die Ausgaben für Forschung und Entwicklung (F&E) und für die Herstellung von immateriellen Gütern (wie z.B. Filme, TV-Serien usw) kapitalisieren. Solche Aufwendungen wurden bisher als Vorleistungen angesehen und von der Produktion abgezogen.

Es gibt nun also eine neue Kategorie „geistiges Eigentum“ (intellectual property products). Die Herstellungskosten für die von BEA als „langlebige TV-Show“ beschriebene Fernsehen-Serien wie z.B. „Seinfeld“ zum ersten Mal als Investition gezählt.

Die Logik mag hierbei solide sein: man verbringt ein paar Stunden auf Netflix und konsumiert glücklich etwas, was das Ergebnis einer erheblichen F&E Streaming-Technologie ist. Dennoch kommt alles etwas matschig vor, weil es irgendwie so ist. Das Pro-Kopf-Einkommen steigt damit in Amerika um 1‘800$, aber natürlich nur auf dem Papier. Das Gehalt der Menschen bleibt unverändert.
Bernstein und Baker deuten v.a. auf erhebliche Probleme in Bezug auf die neue Berechnung der Wirtschaftsleistung hin. Was ist „geistiges Eigentum“, was ist nicht?

Wenn man sich auf YouTube stundenlang kostenlose Videos ansieht, zählt es nicht als Investition. Ein weiterer Ring ist um den Begriff „Wertschöpfung“ (added value) zu ziehen, unterstreichen Bernstein und Baker. Journalismus wird z.B. ausgelassen. Für den unwahrscheinlichen Fall, dass die kommenden Generationen den zitierten Artikel der Autoren in NYTimes als lesenswert erachten würden, wird es nicht als Investition berechnet. Aber auch Blogs werden nicht als Investition gezählt, obwohl viele Menschen viele Zeit damit verbringen, die einzelnen Einträge zu lesen.

Der vielleicht willkürlichste Teil der BIP-Revision ist, wie mit Kosten umgegangen wird. Ein gravierender Mangel der Berechnung ist das Versäumnis, die Umweltzerstörung nicht mit zu berücksichtigen. Wenn z.B. mit Hydraulic Fracturing (fracking) Erdgas gefördert wird, wird im Prozess auch das Grundwasser verschmutzt. Es gibt aber keine Subtraktion für das dabei verschmutzte Grundwasser oder das Treibhausgas, das emittiert wird, wenn das Gas verbrennt.

Die statistische Änderung erhöht das BIP, aber die Verschuldung bleibt davon unberührt. Die Schuldenstandquote aber sinkt. Bekommen die politischen Entscheidungsträger dadurch etwas mehr Spielraum, um gegen die Arbeitslosigkeit etwas mehr zu unternehmen? Wohl kaum.

PS:

Jared Bernstein war der Wirtschaftsberater von Joe Biden, dem Vizepräsidenten von 2009 bis 2011. Dean Baker ist Direktor des Centers for Economic Policy Research.

Keine Kommentare: