Montag, 14. April 2014

Die drei Millisekunden im HFT und der Rest der Gesellschaft

Spread Networks hat vor vier Jahren die Bohrarbeiten durch die Allegheny Berge von Pennsylvania abgeschlossen. Es handelt sich dabei um einen Tunnel, wo Glasfaberkabel verlegt wurden. Das Ziel war, 3 Millisekunden zu sparen. Das heisst 3 Tausendstel einer Sekunde, die zwischen den Futures-Märkten von Chicago und den Aktien-Märkten von New York „ruhen“.

Wen kratzen eigentlich 3 Millisekunden? Die Antwort ist Hochfrequenz-Händler (high-freuquency traders), die Geld verdienen, indem sie Aktien in einem winzigen Bruchteil einer Sekunde schneller als andere Marktteilnehmer kaufen oder verkaufen.

Man denke darüber nach, schreibt Paul Krugman in seiner lesenswerten Kolumne („The Expensive Milliseconds“) am Montag in NYTimes, dass man Hunderte von Millionen Dollar ausgibt, um 3 Millisekunden zu sparen.

Das hört sich wie eine riesige Verschwendung an. Und das ist nur ein Teil eines viel umfassenderen Bildes, wo die Gesellschaft einen stetig wachsenden Anteil seiner Ressourcen an finanzielle Machenschaften steckt, während sie im Gegenzug nur wenig oder gar nichts dafür mitbekommt.

Um wie viel Verschwendung geht es? Eine Analyse („Finance vs. Wal-Mart“) von Thomas Philippon von der New York University deutet auf mehrere 100 Mrd. Dollar pro Jahr hin. Was kriegen wir im Gegenzug für das Geld? Nicht viel, soweit man sagen kann, so Krugman.

Wenn aber unser überdimensionierter Finanzsektor uns weder sicherer noch produktiver macht, was macht er denn?

Eine Antwort ist laut Krugman, dass der Finanzmarkt Kleinanleger für dumm verkauft, und sie veranlasst, in einem vergeblichen Versuch Unsummen auszugeben, um den Markt zu schlagen. Das ist, was der Präsident der American Finance Association im Jahr 2008 erklärt hat, nicht etwas, was Krugman zusammenbringt.

Eine andere Antwort ist, dass eine Menge Geld zu spekulativen Zwecken fliesst, die privat profitabel, aber sozial unproduktiv sind.

Es ist schwer, zu sehen, wie 3 Millisekunden-Vorteil vermittelt von Spread Networks durch einen Tunnel-Bau das moderne Amerika reicher machen kann. Doch dieser Vorteil lohnt sich bestimmt - für die Spekulanten.

Kurzum: Es wird für die Finanz-Industrie viel Geld ausgegeben, während im Gegenzug wenig oder gar nichts zurückbekommen wird. Philippon schätzt die Verschwendung um 2% des BIP. Doch auch diese Zahl unterschätzt die wahren Kosten für die aufgeblähte Finanzindustrie, argumentiert Krugman weiter. Es gibt nämlich eine eindeutige Korrelation zwischen dem Aufstieg des modernen Finanzwesens und Amerikas Rückkehr zu Gilded Age (*) Niveau an Ungleichheit.

Man soll sich also aus der Debatte um die Hochfrequenz-Handel (HFT) nicht viel machen, so Krugman. Es ist die ganze Finanzindustrie, nicht nur ein Teil davon, die die Wirtschaft und die Gesellschaft untergräbt.



(*) Diese Zeit war nach aussen hin eine Zeit wirtschaftlichen Aufschwungs und technologischen Fortschritts. Aber zugleich herrschte in den Städten Armut und Korruption.

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