Montag, 29. September 2014

Unsichtbare Superreiche

Vor einem halben Jahrhundert hat sich The New Yorker in einem Artikel mit dem Titel „Our Invisible Poor“ (Unsere unsichtbare Armen) mit dem damals weit verbreiteten Mythos auseinandergesetzt, dass Amerika eine Wohlstandsgesellschaft ist, mit nur wenig Armutsfall. Für viele kamen die Fakten über die Armut wie eine Offenbarung vor, bemerkt Paul Krugman in seiner lesenswerten Kolumne („Our Invisible Rich“) am Montag in NYTimes.

Der am Graduierten Zentrum der City University of New York (CUNY) lehrende Wirtschaftsprofessor denkt nicht, dass die Armen heute nicht sichtbar sind. Heutzutage sind es die Reichen, die nicht sichtbar sind. In der Tat haben die meisten Amerikaner keine Ahnung davon, wie ungleich die amerikanische Gesellschaft geworden ist.

Der neueste Beweis in diesem Sinne ist eine Umfrage, wo die Leute in verschiedenen Ländern gefragt wurden, wie ihrer Meinung nach die Top-Führungskräfte grosser Unternehmen mehr verdienen als die ungelernten Arbeitskräfte. In den USA glaubt der Median-Befragte, dass die Chefs 30 mal so viel verdienen wie ihre Mitarbeiter, was ungefähr wahr ist, was 1960er Jahre betrifft. Seither ist die Lücke erheblich grösser geworden: Heute verdienen CEOs etwa 300 mal so viel wie normale Arbeitnehmer.

Das heisst, dass die Amerikaner keine Ahnung haben, wie viel die Meister des Universum (Master of the Unverse) verdienen, ein Befund, der sehr im Einklang mit dem Beweis steht, dass die Amerikaner die Konzentration von Reichtum an der Spitze erheblich unterschätzen, erklärt der als Mitglied im Luxembourg Income Study Center forschende Träger des Wirtschaftsnobelpreises weiter.


Wie können die Menschen aber sich dieser Entwicklung nicht bewusst sein oder zumindest nicht, was das Ausmass betrifft? Die wichtigste Antwort ist laut Krugman, dass die Reichen sich aus dem Leben von normalen Menschen zurückziehen, sodass wir nicht sehen, wie sie leben. Wir bemerken und sind erbost darüber, dass College Kinder Luxus-Autos fahren. 

Aber wir sehen nicht, wie Private Equity Manager per Helikopter in ihren riesigen Villen in den Hamptons ankommen. Die Kommandohöhen der Wirtschaft sind nicht sichtbar, weil sie in den Wolken verloren sind, beschreibt Krugman.

Ist die Unsichtbarkeit der Superreichen wichtig? Ja, politisch kommt es sehr darauf an. Experten wundern sich manchmal, warum amerikanische Wähler sich um die Ungleichheit nicht kümmern. Ein Teil der Antwort ist, dass sie nicht realisieren, wie extrem die Ungleichheit ist, wie Krugman darlegt.

Die meisten Amerikaner sagen, wenn sie gefragt werden, dass Ungleichheit zu hoch ist, und etwas getan werden müsse. Es gibt eine überwältigende Unterstützung für höhere Mindestlöhne und eine Mehrheit befürwortet höhere Steuern am oberen Ende.

Aber zumindest stellte die Konfrontation mit extremer Ungleichheit bisher wahlpolitisch kein Problem dar. Vielleicht wäre das wahr, auch wenn die Amerikaner die Fakten über die neue Gilded Age wüssten. Aber wir wissen heute nicht. Das heutige politische Gleichgewicht beruht auf einem Fundament der Unwissenheit, wo die Öffentlichkeit keine Ahnung hat, wie es um die Gesellschaft wirklich bestellt ist, so Krugman als Fazit.




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