Samstag, 31. Oktober 2015

Inflationsziel und fatale Arroganz

Die folgende Abbildung (h/t to Mark Dittli), die Finanz und Wirtschaft am Freitag geliefert hat, regt an, darüber nachzudenken, was passiert, wenn die eine wichtige Regel in einer Währungsunion nicht eingehalten wird.

Worum geht es?

Eine Währungsunion wie die EMU bedeutet in erster Linie, dass die Mitgliedstaaten sich einigen, ein gemeinsam festgelegtes Inflationsziel (inflation targeting) zu verfolgen, weil sie im Vorfeld auf die Ausgestaltung einer autonomen Geldpolitik verzichten. Die Geldpolitik wird von der EZB gemacht, und zwar für alle Mitgliedstaaten.

Alle Mitglieder der EMU müssen sich daher daran halten, dass die Inflationsrate im eigenen Land rund 2% beträgt. Das ist genau der Zielwert, der von der EZB angestrebt wird.

Was in der Abbildung ins Auge sticht, ist, dass Frankreich das einzige Land in der EMU ist, das den Zielwert in den vergangenen Jahren eingehalten hat:

2% Inflation pro Jahr macht in 14 Jahren rund 32%. Frankreichs Lohnstückkosten sind um genau 32% in rund 15 Jahren gestiegen. In Deutschland hingegen sind die Lohnstückkosten im selben Zeitraum um 15% gestiegen. Das heisst, dass Deutschland den Zielwert um rund 50% unterboten hat.



Verlauf der Lohnstückkosten (ULC: unit labor cost), in der EMU, Graph: Finanz und Wirtschaft via Societé Générale


Wichtig ist hier, daran zu erinnern, dass die deutschen Lohnstückkosten seit der EUR-Einführung entweder stagnierten oder sogar gesunken sind, wie es auch in der Abbildung ersichtlich ist.

Und das deutet auf “Lohnmoderation” durch Berlin hin. Dadurch hat Deutschland seine Wettbewerbsfähigkeit gesteigert. Manche Mitgliedstaaten (z.B. Portugal, Irland usw.) haben zwar über ihre Verhältnisse gelebt. Deutschland hat aber unter seinen Verhältnissen gelebt.

Während im ersten Fall mit der Zeit die Gefahr von Inflation und Überhitzung der Wirtschaft besteht, besteht im zweiten Fall die Gefahr von Deflation und Depression.

Die Kernursache der europäischen Krise ist nicht eine verschwenderische Haushaltsführung in Mitgliedstaaten, sondern die Leistungsbilanzdifferenzen, die durch die Lücke in Wettbewerbsfähigkeit entstehen, die wiederum auf die Nichteinhaltung (d.h. Abweichung nach oben oder nach unten) des Inflationsziels zurückzuführen sind.

Zu niedrige Inflation (genauso wie zu hohe Inflation) reicht nicht aus, Finanz- und makroökonomische Stabilität (in der EMU) zu gewährleisten.

Der disparate Verlauf der Lohnstückkosten in der EMU zeigt, welcher Schaden in den einzelnen Volkswirtschaften Europas entstehen kann, wenn zugleich die Austeritätspolitik an der Nullzins-Grenze die Eurozone tiefer in die Rezession drückt.

PS: Die Löhne sollten im Prinzip in jedem Mitgliedstaat um die eigene Produktivität plus das Inflationziel der EZB steigen, damit eine Konvergenz der Wettbewerbsfähigkeit erreicht werden kann.






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