Sonntag, 9. Oktober 2016

Unsinnige Lohnmoderation und Nachfrageschwäche in Europa

Die folgende Abbildung (das jährliche Lohnwachstum im Euro-Raum) zeigt im Grunde genommen deutlich erkennbar, warum die wirtschaftliche Erholung in Europa nicht vom Fleck kommt.

Denn das Wachstum braucht Konsum und Investitionen als Antriebskräfte. Wenn die Löhne gedrückt werden, gibt es weder genügend Konsum noch Investitionen.

Die von Berlin seit 1999 geförderte und nun für den Rest der Eurozone geforderte Lohnmoderation (*) bleibt aber in der öffentlichen Diskussion leider nur eine Randerscheinung.

Zur Erinnerung: Deutschland hat das nominale Lohnwachstum jahrelang unter dem Niveau der anderen Kernländer der Eurozone gehalten und damit einen grossen Wettbewerbsvorteil errungen.

Dies hatte eine Reihe von Konsequenzen; die vielleicht wichtigste ist, dass die deutsche Wirtschaft, v.a. der Arbeitsmarkt den schweren konjunkturellen Einbruch im Sog der Finanzkrise von 2008 relativ gut verkraftet hat.

Es überrascht nicht, dass hinter der jahrelangen deutschen Lohnmoderation als Theorie die neoklassische Schule steht, wonach die Arbeitslosigkeit durch zu hohe Löhne entstehe und durch Lohnmoderation und Lohnkürzungen gesenkt werden könne.



Das Lohnwachstum (auf Jahresbasis) im Euro-Raum, Graph: Morgan Stanley

Um zu zeigen, dass der dargelegte Ansatz grundfalsch, ist, bedarf es nicht einmal eines spezifischen Wirtschaftsmodells.

Denn der Lohn ist nicht nur ein Kostenfaktor für das Güterangebot, sondern zugleich auch ein Einkommen und daher wichtig für die Güternachfrage. Und von der Güternachfrage hängt bekanntlich auch die Nachfrage nach Arbeitskräften (Beschäftigung) ab.

Das Stichwort „Lohnerhöhung“ kommt aber in den wirtschaftspolitischen Massnahmen nicht vor, wie Werner Vontobel in einem lesenswerten Eintrag in Makroskop mit Bedauern festhält. Die politischen Entscheidungsträger reden lieber von Strukturreformen (Angebotsseite).

Dabei hängt die Konsumneigung in erster Linie vom Geld ab, das man in der Tasche hat. Und die Unternehmen investieren nicht, wenn es mit der Nachfrage der Verbraucher hapert, um es kurz zu schildern,

Es reicht daher nicht, nur die einseitige Einkommensverteilung anzusprechen. Wir müssen mehr über Lohnerhöhungen reden, so Vontobel weiter. Schliesslich entsteht die Einkommensverteilung v.a. am Arbeitsmarkt.




(*) Die Lohnmoderation war im Wesentlichen ein expliziter Versuch, den realen Wechselkurs intern zu entwerten, wie Peter Bofinger erläutert.

Intern“ insofern, weil man die Gemeinschaftswährung hat, also keine eigene Landeswährung, die hätte abgewertet werden können.








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