Donnerstag, 3. November 2016

Wenn alle Sektoren sparen, bricht die Wirtschaft zusammen


Der deleveraging-Prozess im europäischen Banken-Sektor setzt sich mit einem verhaltenen Tempo fort. Die Bilanz der europäischen Banken (gemessen an RWA) schrumpft weiter und liegt um 22% unter ihrem Höchststand, berichtet Morgan Stanley.
Es wäre nicht abwegig, darzulegen, dass der anhaltende Schuldenabbau-Zyklus (deleveraging) in Europa mit früheren nach-Krise-Erfahrungen vergleichbar ist, z.B. mit Japan in den 1990er Jahren, wie in der folgenden Abbildung dargestellt ist.

Allerdings befindet sich die Bilanzsumme seit den letzten Quartalen in einem Seitwärts-Trend. Die leichte Verbesserung der neuen Kreditvergabe ist wahrscheinlich auf die EZB-Ankündigung zur Fortsetzung des Anleihekaufprogramms zurückzuführen.

Das durchschnittliche Darlehen-Einlagen-Verhältnis (LTD-ratio *) liegt im zweiten Quartal 2016 um 2% niedriger als im Vorquartal und steht damit heute mit 106% tiefer als der Spitzenwert von 138%.



Der Schuldenabbau-Prozess im Banken-Sektor im historischen Vergleich, Graph: Morgan Stanley

Was machen aber die US-Banken? Sie kaufen weiter fleissig US-Treasury Bonds. Warum? Zum Teil aus regulatorischen Gründen. Zum Teil, weil die amerikanischen Haushalte sparen und damit die Nachfrage nach Neu-Krediten dämpfen.

Die Geschäftsbanken in den USA haben allein in diesem Jahr US-Treasury Bonds und nicht-Hypotheken-Anleihen in Höhe von 90 Mrd. USD gekauft, was die gesamte Summe auf 754 Mrd. USD klettern lässt. 

Wenn man die staatlich garantierten hypothekenbesicherten Wertpapiere dazu zählt, ergibt sich ein Betrag von 2'400 Mrd. USD, die die Banken in den Büchern halten. Das ist der höchste Wert seit der Einführung der Fed-Datenbank im Jahr 1973.


Die steigende Nachfrage der US-Banken nach sicheren und liquiden US-Staatsanleihen (US-Treasury Bonds), Graph: Bloomberg


Da das wirtschaftliche Wachstum viel zu wünschen übrig lässt, geben die Banken nicht mehr viel Kredit.

Anstatt die Mittel zu einem Zinssatz von 0,5% bei der US-Notenbank zu parken, generieren die US-Banken mit dem Ankauf von US-Staatsanleihen mehr Einnahmen. Zur Erinnerung: Die Rendite der US-Treasury Bonds mit 10 Jahren Laufzeit beläuft sich auf rund 1,81%. Und die Rendite der 5-jährigen Staatspapiere beträgt rund 1,28%.

Die US-Banken verfügen über viel Kundeneinlagen, während auch der Unternehmenssektor seit der globalen Finanzkrise von 2008 als Netto-Sparer auffällt. 

Obendrauf weisen die USA ein Leistungsbilanzdefizit auf. Das heisst, dass sie auch die Ersparnisse des Auslands aufnehmen. Es bleibt also dem Staat nicht anderes übrig, auf die Schuldner-Seite zu wechseln und zu investieren (z.B. in die Infrastruktur, Umwelt, Bildung usw.), weil die Wirtschaft sonst zusammenbrechen würde, weil eben wie oben angedeutet, alle Sektoren (private Haushalte und Unternehmen) gleichzeitig sparen.

Es ist daher folgerichtig, zu unterstreichen, dass eine expansive Fiskalpolitik in einer Welt mit anhaltend niedrigen Zinssätzen, einem schwachen Wachstum und starken internationalen Verknüpfungen ohne Zweifel wirksam ist. 

Vor diesem Hintergrund bemerkt Jason Furman in einem lesenswerten Beitrag in voxeu, dass die Fiskalpolitik sich im Rahmen einer wirksamen antizyklischen Wirtschaftspolitik als eine Ergänzung zur Geldpolitik geradezu anbietet.


Wie Mehr-Ausgaben durch die öffentliche Hand Mehr-Einnahmen generieren können und die Schuldenquote des Staates im Verhältnis zum BIP (debt-to-GDP) fallen lassen, Graph: Jason Furman in voxeu

Der Vorsitzende des Council of Economic Advisers im Executive Office des US-Präsidenten bezeichnet es als die „Neue Sicht der Fiskalpolitik“ (The New View of Fiscal Policy).

Die erhöhten Staatsausgaben schaffen über Mehr-Einnahmen genügend fiskalpolitischen Spielraum in Zukunft und verringern damit die Verschuldung des Staates im Verhältnis zum BIP (debt-to-GDP).


Die Bestände der US-Banken an festverzinslichen Wertpapieren, Graph: Bloomberg




(*)

LTD-ratio:

Wenn das Verhältnis zu hoch ist, bedeutet es, dass die Bank nicht über ausreichende Liquidität verfügt, um unvorhergesehene Finanzierungsanforderungen zu decken. Und es gilt auch umgekehrt: Wenn das Verhältnis zu niedrig ist, dann kann es so interpretiert werden, dass die Bank nicht so viel verdient, wie sie könnte.



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