Donnerstag, 26. Januar 2017

Handelsbilanz, Wirtschaftswachstum und einfache Fakten

Peter Navarro und Wilbur Ross versuchen in einem wunderlichen Artikel in WaPo, gestützt auf "alternative Fakten" die Wirtschaftspolitik der Trump-Administration unter die Leute zu bringen.

An einer entscheidenden Stelle ist der folgende Satz zu lesen: Wenn die Netto-Exporte negativ sind, d.h. wenn ein Land ein Handelsdefizit ausführt, indem es mehr importiert als exportiert, muss es vom Wachstum abgezogen werden.

Es ist aber nicht wahr. Es handelt sich dabei um einen Fehler, der häufig vorkommt. Darum ist es wichtig, zu erklären, warum es falsch ist, das Handelsdefizit vom Wachstum abzuziehen.

In der Volkswirtschaftslehre begegnen wir ganz am Anfang der folgenden Gleichung:

BIP = Konsum + Investitionen + Staatsausgaben + Nettoexporte

wobei Nettoexporte = Exporte – Importe

Daraus folgt

BIP = Konsum + Investitionen + Staatsausgaben + Exporte – Importe

Weil Importe ein negatives Vorzeichen in dieser Gleichung haben, denken viele Leute, dass das BIP (und damit das Wachstum), wenn die Importe steigen, sinken muss. Das ist aber nicht richtig, wie Noah Smith in seiner Kolumne bei Bloomberg View erläutert.

Importe tragen nämlich auch zu Konsum-, Investitionen- und Staatsausgaben bei.

US-Wirtschaftswachstum und Handelsbilanz im Vergleich, Graph: Menzie Chinn und Michael Klein in EconoFact

Ein konkretes Beispiel (aus Sicht der US-Wirtschaft): Wenn Sie z.B. in Cleveland leben und eine Video-Spiel Konsole, die in Japan hergestellt worden ist, kaufen, dann steigt der Konsum. 

Da die Konsole in Japan, d.h. ausserhalb der USA produziert wurde, zählt es nicht zum US-BIP. Der Wert der Konsole wird also vom BIP abgezogen. Das ist auch der Grund dafür, weshalb Importe in der oben angegebenen Gleichung ein Minus-Vorzeichen haben. 

Wenn z.B. Intel eine deutsche Werkzeugmaschine importiert, steigen die Investitionen in den USA. Aber der Import wird abgezogen, damit das BIP gleichbleibt (Buchhaltung).

M.a.W. zählen Importe nicht negativ zum BIP: sie beziffern sich auf null.
Das heisst, dass ein höheres Handelsbilanzdefizit die USA nicht ärmer macht. 


Irland, Belgien und Deutschland haben das grösste Exportvolumen im Aussenhandel-Geschäft mit den USA, Graph: Morgan Stanley

Man stelle sich vor, dass die USA zunächst die gleiche Menge an Konsum und Investitionen erwirtschaften, die im Inland hergestellt werden. Aber dann beginnen sie irgendwann, Güter in Höhe von 1 Mrd. USD zu exportieren und in Höhe von 3 Mrd. USD zu importieren.

Das Handelsbilanzdefizit steigt folglich um 2 Mrd. USD. Aber das BIP steigt um 1 Mrd. USD. Das bedeutet, dass das Wachstum positiv gewesen ist. Die neuen Importe verändern also das US-BIP nicht. Aber die neuen Exporte tragen dazu bei.

Ein Abbau des Handelsbilanzdefizits macht die USA nicht notwendigerweise reicher. Wenn ein Land aufgrund von Handelsbeschränkungen die Importe um 10 Mrd. USD und die Exporte um 1 Mrd. USD kürzt, aber zugleich den privaten Konsum und Investitionen von Gütern im Inland unverändert lässt, dann schrumpft das Handelsbilanzdefizit um 9 Mrd. USD, aber das BIP verringert sich um 1 Mrd. USD. Das Wachstum ist also negativ. Die Folge ist wahrscheinlich eine Rezession und Arbeitslosigkeit.


Die Reihenfolge der europäischen Sektoren nach Exporten in die USA, Graph: Morgan Stanley

Navarro und Ross liegen daher falsch, was auch Menzie Chinn im Blog Econbrowser anhand von ein paar Abbildungen unterstreicht.

Das Handelsbilanzdefizit der USA wächst i.d.R. in Zeiten des robusten Wirtschaftswachstums, so der an der University of Wisconsin, Madison lehrende Wirtschaftsprofessor.

Die Vorstellung, dass Handelsbilanzdefizite ein langsames Wirtschaftswachstum verursachen, ist nicht nur in der Theorie falsch, sondern auch in der Praxis, erläutert Chinn weiter mit Michael Klein im neuen Blog EconoFact.

Tatsächlich hat die US Wirtschaft ein starkes Wachstum zwischen 2002 und 2005 verzeichnet. Das Handelsbilanzdefizit ist im selben Zeitraum von 4% auf 6% des BIP gestiegen.

Navarro (*) hingegen behauptet im White Paper weiter, dass die US-Wirtschaft ein reales Wachstum von 5,97% erreicht hätte, wenn sie in der Lage gewesen wäre, das Handelsbilanzdefizit von 500 Mrd. USD (per Ende 2015) durch eine Kombination von Exporten und verringerten Importen vollständig zu beseitigen (anstatt die Handelsgrenzen zu schliessen).

Das ist auch falsch: Man stelle sich vor, wie Smith weiter darlegt, dass die USA das Handelsbilanzdefizit von 500 Mrd. USD beseitigen, dadurch, dass sie die Exporte um 1 USD steigern und die Importe um 499'999'999’999 USD reduzieren. Das würde bedeuten, dass das BIP um 1 USD steigt, nicht um 500 Mrd. USD.




(*)

Peter Navarro ist Wirtschaftsprofessor an der UC-Irvine und Wilbur Ross ist ein internationaler Private Equity Investor. Ross (mit einem persönlichen Vermögen von ca. 3 Mrd. USD) ist der neue (designierte) Handelsminister im Kabinett Trump. Beide waren politische Berater der Trump-Wahlkampagne.

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